Östliche Adria hoch

15. August 2024

Kirchengesänge und ein Handtuch auf der Straße

Beim Zusammenpacken meiner Zeltsachen höre ich entfernt anhaltendes Hundegebell. Kurz darauf sehe ich zwei hochbeinige Füchse mit langem Schweif durch den Olivenhain traben. Mit der Nase am Boden verfolgen sie eine Spur. Sie verschwinden rasch im nahen Bett eines trockenen Flusses. An der langen Uferpromenade der Stadt sehe ich später einen Mann einen Müllcontainer durchsuchen. So wie die Container entlang der Straße von den vielen Restaurants und Läden zum Bersten vollgefüllt sind, wird er sicher etwas finden. Und die Füchse vielleicht auch.

 

Heute ist Marienfeiertag. Aus einer Kirche höre ich durch die offene Tür eine laute Männerstimme. Es hört sich nach einer Bibelstelle an. Und irgendwann läuten dann auch die Glocken. Bei einer Apotheke gibt es eine Temperaturanzeige. Auch ohne Sonne werden schon 29 Grad angezeigt. Es wird also wieder heiß werden. Zum Glück habe ich die eine hohe Bergkette schon hinter mir. An der Küste entlang hoffe ich auf weniger Anstiege.

 

Nach einer Kurve liegt ein Handtuch auf der Straße. Das kommt mir gelegen, denke ich. Kette putzen ist schon länger wieder mal fällig. Und eine Pause im Schatten auch. Doch mit Entsetzen entdecke ich dabei, dass das obere kleine Kettenumlenkröllchen der Schaltung Spiel hat. Damit ist auch das gelegentliche Zwitschern und Schleifen der letzten Tage geklärt. Ich habe es wohl wahrgenommen, konnte es aber nie zuordnen. Obwohl schon heiß, wird mir nach dieser Feststellung noch heißer. Hoffentlich finde ich unterwegs Ersatzteile und einen Laden für eine Reparatur. Heute hat jedenfalls alles zu. Leicht verunsichert fahre ich weiter. Es wird schon halten, wünsche ich mir.

 

Olivenhaine prägen die Landschaft. Und recht viele Gewächshäuser für Gemüse gibt es am Weg. Bohnen, Tomaten, Paprika kann ich durch die Lüftungsluken erkennen. Einen schönen Kontrast zum türkisenen Meer bieten einige Äcker mit ihrer rostroten Farbe. Unter den Olivenbäumen gibt es sie auch. Doch frisch aufbereitet und gepflügt kommt das Rot noch mehr zur Geltung, und nah zum Meer sowieso. Das gefällt mir. Meine Bewunderung finden auch die weißen und pinken Oleandersträucher als wilder Straßenschmuck. Pflege brauchen die hier wohl keine. Und von der Wärme gibt es auch mehr als genug. Nur mir wäre deutlich weniger davon auch heute wieder entschieden lieber.

 

16. August 2024

Olivenhaine und Tomatenanhänger

Ohne mir eine besonders lange Etappe vorgenommen zu haben, starte ich auch heute schon kurz nach halb 7 Uhr. Es ist der Temperatur wegen. Denn das, was ich am Morgen nicht zum Fahren komme, geht ab Mittag definitiv nicht mehr. Da sind die Luft und die Lust dann draußen. Abends sagten sie im Hotel, dass es so heiß wie jetzt in Griechenland noch nie gewesen sei, und das seit Monaten.

 

Am Campingplatz ist es noch ruhig. In der Morgenfrische schlafen ist nämlich auch fein. Denn wenn es untertags so heiß ist, verlagern sich viele Aktivitäten in die Abend- und Nachtstunden. Doch ein nächtliches Radfahren macht wenig Sinn. Ich bleibe bei meinem Rhythmus. Und auch bei der Angewohnheit meines Navis, immer wieder Schotterstraßen zu finden. Heute führten sie mich durch eine flache Landschaft. Wobei sich die Aussicht auf Olivenhaine und hohes Schilfgras beschränkte. Einige alleinstehende Häuser oder kleine Höfe waren auch dabei, und jedes Mal mit Hund, öfters leinenlos. Das sorgte meist für einen kurzfristig höheren Puls, zumindest bei mir.

 

Später tauchten dann hohe, rötliche Felswände auf. Löchrig, schroff und mächtig boten sie gelegentlich willkommenen Schatten, wenn ich an ihrem Fuß entlangfuhr. Zum Meer hin war der Schilfgürtel mit Gestrüpp und einzelnen Bäumen eine Barriere. Wenn dazwischen Olivenhaine zu sehen waren, so staunte ich, wie unterschiedlich diese Bäume sein können. Schlank und gerade im Wuchs, oder windschief knorrig verknorpelt. Dick und dünn mit aussagelosem Grau, oder dunklen Braun mit Ausstrahlung. Äste gleich vom Boden weggehend, oder solche mit Stamm und oben verzweigend. Viele der Haine werden bewässert. Dabei werden zumeist dünne Kunststoffrohre durch die Kronen geführt. Und der Boden unter den Bäumen bietet ebenfalls eine bunte Vielfalt. Von gepflegt bis Urwald reicht die Bandbreite. Oder von gelblichem Gras oder Stroh bewachsen bis zur blanken, aufgerissenen Erde. Und Straßennah ziert oft auch Müll die Haine. Eine Ernte hatte ich bisher noch nicht gesehen. Die fängt glaub erst zu späterer Zeit an. Nur ein Mal sah ich einen Mann, der ein Netz unter einem Baum ausbreitete.

 

Dafür scheint die Saison bei der Tomatenernte in vollem Gang zu sein. Bei meiner Pause im Schatten einer Kirche sah ich einige Traktoren mit großen Anhängern voller Tomaten vorbeifahren. Und später zählte ich zwölf Anhänger auf der Straße vor der Einfahrt zu einem Fabriksgelände stehen. Pummaro war groß angeschrieben. Von einigen Anhängern tropfte es schon auf die Straße. Da können sie den Saft oder das Ketchup dann gleich unverarbeitet in ihre Kartons oder Flaschen abfüllen.

 

17. August 2024

Staubtrockene Landschaft und viele Foliengewächshäuser

Morgenstund hat Dorn im Mund. Mein Hinterreifen war leider platt. Offensichtlich hatte ich beim gestrigen Abstellen zu wenig auf den Untergrund geachtet. Beim Abgreifen des Reifens merkte ich den spitzen Dorn einer Pflanze sofort. Mein Frühstart war also schon beendet, bevor ich losfahren konnte. Die ersten Schweißperlen gab es dennoch. Und als es dann endlich am Rad los ging, öffneten sich alle Poren. Ein kleiner Anstieg wartete nämlich.

 

Oben wartete dann eine Bäckerei. Im Vorbeifahren lockte der Brotduft. Ich kehrte um. Zwei Simit, die leider nicht so gut waren wie sie ausschauten, und eine mit Spinat gefüllte Teigtasche waren mein Einkauf, Limonade und Wasser mit dazu. Gegessen hatte ich auf der Stiege eines Geschäftes im Schatten vis-à-vis. Von dort konnte ich dem Bäcker zuschauen, wie er die Brotlaibe im Ofen bewegte. Und womit die Leute zum Bäcker kommen. Mit dem Auto, eh klar, dem Moped sowieso, Fahrräder waren auch dabei, Traktoren gar einige, und zu Fuß nur ganz wenige.

 

Nach sich lange hinziehender Abfahrt war ich auf der Schnellstraße unterwegs. Ich fand es etwas eintönig. Die gleiche Landschaft gefiel mir besser, als ich auf Nebenstraßen abzweigen konnte. Da ging es kurvig dahin, mit etwas Auf und Ab. Staubig grau und nusstrocken sah die Landschaft aus. Gegen das Landesinnere waren Berge zu sehen. Im Gegenlicht der Sonne zeichneten sich die Gratlinien und Flanken in verschiedenen bläulich-grauen Farbtönen ab. Solche Bilder liebe ich.

 

Und imposant fand ich auch die vielen Foliengewächshäuser. Sie schauten alle gleich aus. Einige wurden gerade neu aufgebaut. Bei den anderen schien schon alles abgeerntet zu sein, unklar was. Etwas später erfrage ich es. Ein Mann füllt gerade Wasser in Behältnisse auf seinem Traktoranhänger. Er erklärt mir, dass es hier eine Erdbeergegend sei. Und dass im Oktober dann neu gepflanzt werde. Im Moment sei die Arbeit bei den Weintrauben gebunden. Und im Winter bei den Oliven. Dass er in Flipflops arbeitete, ist mir noch aufgefallen. Na ja, bei 40 Grad schwitzt es sich in Gummistiefeln vielleicht noch mehr.

 

Meine Mittagspause mache ich wieder bei einer Kirche. Dort gibt es zumeist Bänke, und als großes Gebäude auch Schatten. Im Café daneben hatten sie nichts Vegetarisches. Dafür wurde ich im kleinen Market am Platz fündig. Der Fetakäse, von einem großen Laib in einer Kühltonne geschnitten, schmeckte lecker. Da passte sogar der halbe Simit von heute Morgen dazu. Mit einer Tomate und den kühlen Getränken war es eine feine Jause, obwohl der Hunger der Hitze wegen gar nicht so groß war.

 

18. August 2024

Pausentag mit Nixtun

Statt am Rad mich abstrampeln wählte ich heute das Nixtun in der Stadt. Ich machte einen Pausentag. Am Vormittag breitete ich mich auf einer im Schatten gelegenen Bank in einem kleinen Park aus. Tauben schauen, Zikadenmusik hören, und nachdenken, was sonst noch in meinem Leben und drumherum im Familienumfeld abläuft, waren das Programm. Dazu wie alle anderen Parkbesucher kräftig transpirieren. Es war heiß.

 

Am Nachmittag erdrückte die schwüle, stehende Hitze alles in der Stadt. Sie war leergefegt, und zeigte sich wie eine Geisterstadt. Die langen Geraden waren wie die kurzen Quergassen menschenleer. Und selbst in den wenigen offenen Cafés liefen die Klimaanlagen wohl nur um das Kühlen ihrer selbst wegen. Abends meinte ich gar, dass es bei solchen Verhältnissen am Rad trotz der Anstrengungen fast angenehmer ist als sich in der Stadt aufzuhalten.

 

19. August 2024

Ein spannender Werkstattbesuch mit kräftigem Schwitzen

Kurz vor halb 9 Uhr saß ich auf den Eingangsstufen vor einem Fahrradladen. Ich musste nicht lange warten, bis sich die Schiebetür öffnete. Ich war schon am Samstagnachmittag dort. Doch da waren sie gerade am Zumachen. Sie meinten nur kurz, dass sie die Teile für mein Rad bestellen müssten. Gestern hatte ich dann lange herumgesucht, ob da vielleicht auf meiner geplanten Route ein größerer Fahrradladen zu finden wäre. Ohne Erfolg. Also stellte ich mich auf ein paar Tage Warten in Patras ein. Vielleicht mit Gegend erkunden rundum, und wenn die Teile da sind, wieder weiterfahren.

 

Die beiden Männer im Laden schauten sich kundig mein Rad an. Kette neu, die sei verschlissen. Dazu müsse ich auch die Kassette hinten ersetzen. Da willigte ich nur ungern ein, weil ich sie normalerweise erst nach ein paar tausend Kilometern mehr wechsle. Doch es sprach auch nichts dagegen, sie jetzt zu erneuern. Und die kleinen verschlissenen Führungsrollen, wegen denen ich eigentlich im Laden war, die müssten sie bestellen. Die Spannung stieg, als sie das Telefonat beendeten: Ja, lieferbar, in einer Stunde da. Ich konnte es kaum glauben. Sie sagten, dass sie es in der Fabrik holen können, was einer der beiden dann auch gleich mit seinem Motorroller machte.

 

Ich war in einem Verkaufsladen der Marke Ideal Bikes gelandet. Abends recherchierte ich dann, dass das ein griechischer Fahrradhersteller mit Sitz in Patras ist. Im Laden hatten sie zwar keine edlen Räder, doch das interessierte mich ohnedies nicht. Ich war ja wegen der Reparatur meines Rades da. Und ich freute mich, wenn ich meine Tour gleich fortsetzen kann. Nach einer guten Stunde Warten auf den Mechaniker mit den Ersatzteilen aus der Fabrik, einer Viertelstunde Zuschauen beim Austauschen der Teile, und einer längeren freudigen Verabschiedung saß ich gut gelaunt wieder kurbelnd am Rad.

 

Aus der Stadt raus ging es flach. Im Verkehrsfluss mitschwimmen ging leicht. Nur bei ein paar Ampeln kam es mir komisch vor, dass die Kette am vorderen Kettenblatt bei kräftigem Antritt durchrutschte. Ok, ist neu, legt sich vielleicht, wird sich ergeben, waren die Gedanken, um mich zu beruhigen. Der Mechaniker hatte alles mit perfekten Handgriffen erledigt. Das hatte gepasst. Da konnte ich einem Profi zuschauen. Und beim normalen Fahren ging es ja pipifein surrend dahin. Doch als ich dann auf die drei Kilometer lange Brücke von der Halbinsel auf das griechische Festland auffuhr, da kam ich ins Schwitzen. Weniger wegen der vorhandenen Steigung, sondern wegen der akustischen und hakelnden Aktivität meiner Kette. Sie rutschte vorne ständig durch. Kurz vor dem Scheitelpunkt kehrte ich um. So konnte ich keinesfalls weiterfahren. Ich musste nochmals zurück in den Laden. Die verbrauchten Kettenblätter vorne wollten mit der neuen Kette nicht harmonieren, war meine Erkenntnis nach den zehn Kilometern bis zur Brücke.

 

Im Laden staunten sie, dass ich wieder auftauchte. Doch gemeinsam kamen wir zum Schluss, dass ich vorne auch was Neues brauche. Ich hörte wieder, müssen sie bestellen. Und wieder fuhr der Mechaniker zur Fabrik. Nach einer Stunde kehrte er mit einem schönen, großen, schwarz-grau-braun gemusterten Karton mit der Aufschrift Shimano GRX unterm Arm wieder zurück. Ich meinte zwar, dass sie nur die Kettenblätter tauschen werden, doch wenn es sie nur als ganze Kurbelgarnitur gibt, dann soll es auch ok sein. Mitte Monat lässt es die Kreditkarte noch zu. Und weiterfahren will ich ja auch. Und beim Vergleich der alten mit den neuen Kettenblättern ging es ohnedies nicht anders. Die alten schauten wie scharfe Sägezähne einer Kreissäge aus. Da war von den flachen Übergangsstegen wie an den Spitzen der Neuen nichts mehr zu sehen. Kette viel öfters wechseln, war die Empfehlung des Mechanikers. Dann gäbe es so etwas nicht.

 

Die Steigung bei der Brücke ging dann im zweiten Anlauf ohne Probleme. Auch bei den scharfen Antritten davor nach Ampelstart machte die Kette keinen Nuckler. Die Führungsrollen surrten, nichts quietschte. Die Kette glänzte, glänzte so wie ich. Am späten Nachmittag geht das Radfahren halt nur mit kräftig Schwitzen. Abends dachte ich, unglaublich, wie die Geschichte mit meiner Fahrradreparatur heute abgelaufen ist. Und welcher Zufall mich in diesen Laden geführt hat. Ideal Bikes lag für mich ideal am Weg.

 

20. August 2024

Im Taxi durch den Tunnel

Am Morgen staune ich, als ich aufs Rad steige. Es tröpfelt leicht. Unglaublich. Etwas entfernt rumort es kräftig. Ein Gewitter zieht durch. Bei mir ist es glaub schon vorbei. Nur die Straße ist nass. Es spritzt, ohne dass ich die Überziehschuhe anziehe. Irgendwann kommt von schräg hinten die Sonne durch. Ein wunderbarer Regenbogen spannt sich auf, mit kräftigen Farben.

 

Weiter vorne sind die Spuren des Gewitters auf der Nebenstraße sichtbar. Dort wo Wege in die Wiesen abzweigen, hat es überall roten Sand herausgespült. Es muss hier also kräftig geregnet haben. Viele Orte finden sich auf meiner Route nicht. Ländliche Gegend. Einige Olivenhaine. Etwas Schafkot auf der Straße. Wenig Verkehr. Es ist leicht hügelig. Das Fahren gefällt mir ganz gut. Bei einer unscheinbaren Halle ist Supermarkt angeschrieben. Ich kaufe mir eine Jause. Doch die Käse in der Kühlvitrine sind alle abgelaufen, und das schon seit einigen Monaten. Sie sind älteren Datums, so wie die Autos, die zum Einkaufen vorfahren. Doch während die Käsestücke alle noch gut ausgeschaut haben, sind die Autos schon ziemlich ramponiert.

 

Mittags kommt für ein paar Stunden die Sonne voll durch. Und sie hat gleich die Hitzekeule geschwungen. Mein Tempo wurde deutlich langsamer. Ganz zum Stillstand kam ich dann, als ich bei einer Mautstelle nicht durchgelassen wurde. Es war ein Unterwassertunnel. Fahrverbot für Fahrräder, hieß es gleich einige Male, mit zunehmend energischerem Ton. Ich probierte es erfolglos mit Autostopp. Einem Taxi signalisierte ich, dass ich auf die andere Seite möchte. Wahrscheinlich hat er es einem Kollegen weitergegeben. Jedenfalls konnte ich kurz darauf mein Rad in einen großen Kofferraum verladen und im Taxi den Tunnel passieren.

 

Auf den Campingplatz schaffte ich es noch ohne Regen. Doch mit dem Aufbau des Zeltes wartete ich dann gar ein paar Stunden. Das Gewitter vom Morgen hatte umgedreht, und wollte eine Zeit lang über mir verweilen. Zum Glück gab es eine große überdachte Terrasse. Ich kam trocken durch. Das Bild von der Mautstelle ging mir noch ein paar Mal durch den Kopf. Das hat sicher lustig ausgeschaut, ein Radfahrer mit Gepäck beim Autostoppen.

 

21. August 2024

Dem türkisen Meer und schwarzen Müllsäcken entlang

Als sich am Morgen der rote Ball rechts von mir durch den Dunstschleier im Osten schiebt, saß ich schon einige Zeit am Rad. Ich war früh los, hatte meine Sachen noch im Halbdunkel gepackt. Mit eingeschaltetem Rücklicht machte ich die ersten Kilometer.

 

Rote Oleander mit kräftigem Grün in den Blättern zur rechten Seite. Links das Meer mit hörbarem und sichtbarem Anrollen. Ein paar Platanen, Palmen, Buschwerk, bambusähnliches Schilf am schmalen Gürel zwischen Küste und Straße. Und dort wo es einen Badestrand gab, prägten natürlich Sonnenschirme und Liegestühle das Panorama. Doch am Morgen war noch alles verwaist.

 

Die Schnellstraße lag erhöht zum Meer. Ich machte einige Höhenmeter, weil sie hie und da doch wieder eine Kurve hinunter zur Küste einlegte. Der Blick von oben auf das Meer war richtig schön, auch wenn es etwas Dunst hatte. Bei den Taleinschnitten tat sich dann die Meeresweite auf. Manchmal konnte man einen Farbtupfer am Horizont ausmachen, der aus der Nähe sicher ein großer Schiffskoloss war. Vereinzelte Sport- oder Segelboote waren wie Stecknadelköpfe.

 

Irgendwann standen am Straßenrand in einer Steigung immer wieder schwarze Müllsäcke. Ich meinte, so im Abstand von gut fünfzig Metern. Nach ein paar Kilometern löste sich das Rätsel: Zwei junge Männer waren mit Mülleinsammeln beschäftigt. Ich ging dann in Gedanken kurz ein paar Teilstrecken der letzten Tage durch. Da sah ich die Müllsäcke dicht an dicht nebeneinanderstehen. Und hie und da gar zwei- oder dreihreihig. Gut, dass sie hier mal angefangen haben. Ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Dem Meer entlang war es recht nett zum Fahren. Der Hitze wegen war es zwar ziemlich schweißtreibend. Dennoch hat es mir gefallen. Die Insel Korfu lag zum Greifen nahe. Am frühen Nachmittag passierte ich die albanische Grenze. Und prompt hörte ich in der nächsten Ortschaft auch gleich den Zuruf „money, money“. Als ich am Straßenrand meine Route auf der Karte checkte, wollte ein Junge seine Ortskenntnisse gleich in Geld umgesetzt haben.

 

22. August 2024

Anstiege Marke "Quäl dich"

Gestern hatte ich gestaunt, welchen Auflauf es an der Küste hier gibt. Unter den Sonnenschirmen standen sie sich auf die Füße, und im Wasser glaub ebenso. Unglaublich, wie Sommerurlaub mit Baden hier abgeht. Als ich einkehrte, war es auf der Restaurantterrasse noch ruhig. Gemüsesuppe und Penne all‘ Arrabiatta war mein Menü. Es schmeckte mir ausgezeichnet. Beim Weggehen staute es sich auf der Straße zum Ufer. Wegen der wild parkenden Autos funktionierte der Gegenverkehr nur ganz langsam. Ein Polizeiauto war mittendrin. Das Folgetonhorn nützte nichts. Ich musste schmunzeln, und die Autofahrer sicher auch.

 

Am Morgen war es dafür entlang der Hauptstraße ruhig. In den Bars waren sie mit Aufräumen beschäftigt. Die Müllcontainer waren voll. Oder sie sind es glaub die ganze Zeit. Und was im Container nicht Platz hat, das findet sich in der Landschaft daneben. Dieser Umgang irritiert mich etwas. Und wenig Gefallen findet auch die Bauwut. Nach gleichem Stil entsteht ein Hotelblock nebeneinander. Manche schaffen das Fertigwerden nie. Diese Ruinen scheinen hier aber niemanden zu stören.

 

Schon bald nach dem Wegfahren zeigten sich im Osten größere Bergketten. Über eine von ihnen muss ich heute noch drüber. Da hattee ich am Morgen schon Respekt, zumal die vielen Höhenmeter vom Meer hoch mich erst am Nachmittag erwarten. Davor gab es jede Menge ruppige Anstiege, die mir gar nicht behagten. Bei einem stieg ich vom Rad. Ich musste ein längeres Stück schieben, und das bei brütender Hitze. Es war zu steil, als dass ich da hätte hochfahren können.

 

Irgendwann sah ich am Straßenrand einen älteren Mann auf den Randsteinen kauern. Er hatte einen Holzstecken in der Hand. Und als ich zu ihm aufgeschlossen hatte, sah ich auch seine kleine Herde Ziegen. Sie schauten von einer Felsstufe auf uns beide runter. Und sie turnten munter abenteuerlich herum, um an ein paar Zweigspitzen der Sträucher heranzukommen. Der Mann musste lachen, als ich kopfschüttelnd nach oben zeigte. Verstanden habe ich seinen Kommentar aus zahnlosem Mund aber nicht. Wahrscheinlich wollte er mir sagen, dass das nur seine Ziegen so machen.

 

Am Abend wies der Höhenmesser mehr als 2.600 Höhenmeter als Tagessumme aus. Sie waren mit dem Gepäck hart erkämpft. Besonders der letzte Anstieg hatte es in sich. Während der übrige Verkehr auf halber Berghöhe in einem Tunnel verschwand, durfte ich im vollen Scheinwerfer der Sonne weiter nach oben klettern. Mit einer längeren Pause unter einem schattenspendenden Baum hatte ich es geschafft. Ein hochroter Plutzer und eine windelnasse Hose zeugten von der Anstrengung. Die Aussicht zurück auf die Küste war zwar schön, doch genießen konnte ich sie nicht. Die große Hitze hatte mir zu sehr zugesetzt. Die Abfahrt ging dann in vielen Kurven ganz rasant. Mit Bremsen war sie manchmal fast ebenso anstrengend wie das Hochfahren.

 

23. August 2024

Ein Hohlweg mit Brombeerstauden

Albanien zeigt sich als Land der Gegensätze. An der Küste protzige Hotelbauten und gepflegte Strände. Auf der anderen Seite der Straße parallel dazu ein breiter Streifen Müll im Graben und in der Landschaft. Doch vielleicht fällt einem das nur auf, wenn man mit dem Rad unterwegs ist und der Glasscherben wegen immer einen weiten Bogen um die Müllcontainer fahren muss.

 

Auf Höhe Flore bin ich der italienischen Küste mit dem Stiefelsporn sehr nahe. Ich sehe ein Fährschiff von drüben kommen. Es ist etwas schneller in der Stadt als ich, und parkt auf ruhigem, glattem Wasser längs vor den sonnenbeschienen weißen Hochhäusern. Rüberhüpfen ist kurz der Gedanke. Doch mich zieht es auf der albanischen Seite weiter hoch. In der Stadt ist das Fahren für kurze Zeit ganz lässig. Auf einem Radweg geht es unter Palmen der herausgeputzten Promenade entlang. Doch in der dritten oder vierten Reihe der Straßen dahinter schaut es dann schon wieder etwas anders aus. Land der Gegensätze.

 

Außerhalb der Stadt passiere ich auf einem Hügel ein großes Friedhofsareal. Vom Gegenhang habe ich einen guten Überblick. Aha, denke ich mir, das sind sie also, die beiden Sachen, die ein Albaner liebt: Im Leben einen Mercedes, und nach dem Tod eine prächtige Marmortruhe. Die Gräber sind zwar anderswo im Süden ähnlich, doch die Dichte an Autos mit Stern ist hier jedenfalls auffällig.

 

Meine Route führt mich irgendwann mehr ins Landesinnere. Kleinbäuerliche Landwirtschaft. Hirten, die 10 Schafe hüten, oder am Strick eine einzige Kuh, oder eine Schar Truthennen. Eine kleine Ziegenherde sehe ich auch. Die darf dem Straßengraben entlang die Sträucher anknabbern. Im Vorbeifahren nehme ich eine etwas streng riechende Duftwolke wahr.

 

Als meine Route auf einen Schotterweg abbiegt, fahre ich dennoch geradeaus weiter. Asphalt ist mir lieber, war der Gedanke. Auf der Karte meinte ich, auf einem etwas weiteren Bogen wieder auf meine Route zu kommen. Doch es ging nur einige Kilometer gut. Dann war es aus mit den guten Verhältnissen. Durch einen offenen Hühnerstall fand ich auf einen Hohlweg mit Brombeerstauden. Schieben war angesagt, und das für eine längere Zeit. Und aufpassen, dass ich mir keine Dornen in den Reifen einfange. Dafür weiß ich jetzt, wie es abseits der Dörfer ausschaut. Und wie die Wege dort sind, die auf der Karte als dicker Strich gut fahrbar erscheinen.

 

In der Abfahrt auf besserer Straße auf der anderen Seite des Hügels kommt mir ein Mann entgegen. Er zieht ein straßenbreites, riesiges Bündel Sträucher oder strohiges Gras mit vier Beinen hinter sich her. Vielleicht ist es das Futter für den Esel, dessen Kopf und Hinterteil unter seiner Last kaum zu sehen ist.

 

Mittags treffe ich auf drei junge Franzosen. Sie sitzen mit hochroten Köpfen eng zusammen unter einem Baum an der Straße, in seinem Schatten Pause machend. Abgekämpft, ist mein Eindruck, und von der Hitze gezeichnet. Und ich denke mir, dass sie wahrscheinlich ein ebensolches Bild von mir haben werden. Sie sind in Venedig gestartet und wollen nach Athen. Meine vielen albanisch-griechischen Höhenmeter haben sie also noch vor sich. Vielleicht lassen sie meinen heutigen Hohlweg aus, dann ist es auch schon einfacher, geht es mir durch den Kopf. Doch gleich mit ihnen nochmals den gestrigen Anstieg hoch, möchte ich jedenfalls nicht, ist gleich der Gedanke danach. Wir wünschen uns alle etwas weniger von der Hitze, und fahren entgegengesetzt weiter.

 

24. August 2024

Ein Straßenmarkt und viel Müll rundum

Ich weiß nicht, wie lange die Hähne in der Umgebung schon gekräht haben. Doch irgendwann schaue ich auf die Uhr. Sie lassen nicht locker. Es ist ein anhaltendes Konzert. Und es ist 4 Uhr 45. Ich bin wach. Oder halbwach. Das erste Gackern der Hühner vor dem Haus höre ich erst viel später. Und als dann das Taubengegurre anfängt, und die ersten Mopeds auf der Straße zu hören sind, stehe ich auf. Doch gleich los kann ich nicht. Ich habe bei einem älteren Ehepaar in deren Haus ein Zimmer gefunden. Die Frau war sehr bemüht, und hat auch meine Radsachen gewaschen. Ein Frühstück war ebenfalls ausgemacht. So sitze ich in der Früh statt am Rad etwas länger vor einem deftig gedeckten Tisch. Von den in Öl herausgebackenen Teigstücken packt sie mir sogar noch welche zum Mitnehmen ein. Die selbst gemachte Feigenmarmelade hat dazu sehr gut geschmeckt.

 

Auf den Äckern nahe zur Ortschaft wird Gemüse angebaut. Auf der Straße begegnen mir jede Menge landwirtschaftliche Fahrzeuge, vom Mopedtransporter bis zum Traktor. Einige schauen recht abenteuerlich aus. Viele sind glaube ich Marke Eigenbau. Ein Traktor hat auf seinem Anhänger Krautköpfe geladen. Die Bäuerin thront stolz hinten drauf. Und bei einer aufgelassenen Tankstelle dient die Überdachung als Imkerstellplatz. Hellblaue, grüne und gelbe Bienenkästen sind auf Autoreifen im Kreis aufgestellt. Vielleicht gibt es da wie beim Benzin auch verschiedene Sorten von Honig. Und einer ist der Superhonig.

 

Später sehe ich einen Lastwagen mit einem Wassertank die Straße abfahren. Er befüllt die vor manchen Eingangstoren bereitgestellten großen Plastikwasserflaschen. Irgendwann komme ich bei einem Straßenmarkt vorbei. Es ist Samstag, und es herrscht reges Treiben. Sogar zwei Lastautos mit Brennholz haben sich zwischen den Ständen aufgestellt. Viel Gemüse wird angeboten, Arbeitsgeräte für den Garten und das Haus, Kleidung von der Taufe bis zur Beerdigung, Waschmaschinen, und noch jede Menge weiterer Sachen. Ein Metzger hat auch einen Stand aufgebaut. Auf einem Anhänger daneben liegen Schafe mit zusammengebundenen Beinen, wartend bis sie wohl an die Reihe kommen. Von einem Gestell baumeln bereits enthäutete Hälften. Etwas makaber, denke ich mir. Doch die Albaner denken sich hier wohl was anderes.

 

Bei der Bucht nahe zu Durres lande ich dann im Badebetrieb am Meer. Ein Auflauf sondergleichen, und Verkehrsstau sowieso. Ein Hotelblock reiht sich der Küste entlang an den anderen. Die Vorderfront zum Meer wird wohl anziehen. Die Zimmer der Rückseite haben dagegen nur freien Blick auf die Autobahn, und die Zubringerstraße, auf der ich mich voran wühle.

 

Mittags schlägt dann die Hitze wieder voll zu. Ich kaufe Trauben und Feigen für eine Jause im Schatten. Nur das Rad steht in praller Sonne. Am Thermometer sind 45,7 Grad abzulesen. Nicht gerade motivierend zum wieder Aufsteigen und Kilometer machen. Und der viele Müll an der Straße dämpft meine Begeisterung ebenso. Rund um die Containerstellplätze stinkt es immer kräftig. Und mehr Müll als im Container findet sich in dessen Umgebung und im Straßengraben oder der Wiese daneben. Müllbanien ist mir als Wortkreation unterwegs eingefallen. Dafür gibt es alle paar Kilometer Autowaschanlagen. Da herrscht emsiger Betrieb. Es wird gespritzt, aufgeschäumt und hochglanzpoliert. Zum Auto entwickeln sie mehr Liebe als zur Natur. Und zum Rauchen ebenso. Wenn ich mir in den Straßencafés etwas zum Trinken kaufe, so bin ich immer der Einzige ohne Tschik. Angeblich hat Albanien beim weltweiten Raucheranteil einen fixen Stockerlplatz. 


25. August 2024

Zeitweise lässig, und dann wieder etwas stressig zum Fahren

Am Morgen gleich schon ein stetiges Rauschen auf der Hauptstraße. Es ist Sonntag. In die Kirche fahren sie sicher nicht, geht es mir durch den Kopf. Vielleicht schon zum Strand? Oder nach Hause? Egal wohin diese vielen Autos fahren, sie fahren auf meiner Straße. Und das nervt mich etwas, weil ich mehr aufpassen muss. Doch ich habe Glück. Abseits finde ich eine Nebenstraße einem kleinen Fluss entlang. Es ist idyllisch. Kein Verkehr. Nur ein paar kleine Ortschaften. Dort sehe ich recht viele Männer mit Fahrrädern auf der Straße. Alte Klapperbüchsen. Zur Kneipe oder bis zum Feld tun sie immer noch den Dienst. Am Straßenrand gibt es immer wieder Feigenbäume. Frühstück als „Takeaway“. Manche sind leider schon überreif. Doch ein paar fallen für mich ab. Es ist eine kleinbäuerliche Gegend. Kleine Maisfelder, bei denen die Pflanzen schon strohig gelb sind. Dann wieder Wiesenstücke. Oder Schilfgras. Rund um die Häuser etwas Gemüse. Mit dem Morgenlicht ist es eine herrliche Stimmung. In den Feldern liegt noch leichter Dunst. Die von der Sonne beschienen rötlichen Felsen zeigen hingegen klare Farben. Dieses Straßenstück hat mir sehr gefallen.

 

Wegen des Grenzübergangs zu Montenegro musste ich kurz wieder auf die Hauptstraße zurück. Doch die Autos fahren nach der Grenze eine andere Route weiter. Also gefallen mir auch die ersten Kilometer in Montenegro sehr. Es gibt zwar ein paar Steigungen, doch landschaftlich sagt es mir zu. Und auffallend wenig Müll. Das passte mir auch. Am Meer draußen ist es diesig. Man sieht nicht sehr weit. Doch eine Schiffssirene ist gut zu hören. Vielleicht fährt es grad in den Hafen unten ein. Mein Weg führt eine Höhenlinie parallel dem Meer entlang. Mit klarer Sicht muss man von hier sicher eine fantastische Aussicht haben. Mittags mache ich bei einem Brunnen Rast. In meinen Taschen finde ich noch Reste des am Vormittag eingekauften Brotes. Das Plätschern des Wassers am Brunnen hört sich angenehm an. Und das Eintauchen und Abkühlen der Arme ist erfrischend.

 

Leider taucht dann auch meine Route ab. Vom Berg hinunter geht es rasant zurück in den großen Verkehrsstrom an der Küste. Das will mir weniger gefallen. Es zieht sich. Und in den vielen Steigungen kommt mir das Rauschen der Autos noch viel lauter vor. Meine Hose ist ebenfalls schon nassgeschwitzt. So flott kann ich gar nicht fahren, dass die am Rad je wieder trocken wird. Doch abends sehe ich, dass auch andere am Schwitzen sind. Beim Bummeln in den engen Gassen der Altstadt von Budva gibt es zumindest einige nasse Shirts. Und nicht wenige Touristinnen, die mit kleinen Ventilatoren für gefächerte Luft für sich sorgen.

 

26. August 2024

Verkehrsstau an der Küste und Hitze überall

Ein schweißtreibender Start in den Tag. Die Luft steht in der Bucht. Das Thermometer zeigt üppige 32 Grad. Und mehr als üppig ist die Verkehrskolonne, in der ich den ersten Anstieg mache. Erst als ich oben um die Ecke der Bucht den Scheitelpunkt erreiche, weht mir zumindest etwas Wind entgegen. Kühlend ist er zwar nicht. Doch ich kann mir einreden, dass die heiße Luft in Bewegung ist.

 

Die Badebuchten unten liegen noch im Schatten. Sie sind alle verwaist. Nur die vielen Sonnenschirme und Liegen deuten davon, dass im Laufe des Tages auch da am Meer viel los sein wird, und nicht nur auf der Straße. Sobald ich eine Ortschaft erreiche, staut es sich. Auch wenn ich links und rechts vorfahren kann, ist das Tempo gedrosselt. Und irgendwann in einem größeren Ort steht die ganz Kolonne. Ich weiche auf die Uferstraße aus. Vorbei an den Badenden und den Parkenden rumpelt es immer kräftig, wenn ich die vielen Bodenschwellen zur Geschwindigkeitsreduktion überwinde. Manchmal ist links oder rechts zum Randstein ein schmaler Spalt. Dann kann ich dort, ohne zu bremsen durch. Doch es bleibt ein Hindernisparcours.

 

Bei einer Einbahnstelle bekomme ich die Auseinandersetzung zweier Autofahrer mit. Freundliche Worte tauschten sie nicht aus. Und die Handzeichen waren eindeutig. Doch das Rückwärtsfahren in einer vollgeparkten schmalen Straße mit einigen Fußgängern und mir als Radfahrer mittendrin ist bei Sommerhitze sicher eine Herausforderung. Vor allem, wenn da noch hinter einem andere sind, und der Entgegenkommende am Drängeln ist. Ich konnte ausweichen und kam gut weiter. Keine Ahnung, wie es den Autos dann noch ergangen ist.

 

Irgendwann bog die Küstenstraße wieder in die Hauptstraße ein. Unglaublich, dort herrschte immer noch Stop-and-go-Verkehr, und das mit mir über einige Zeit. Montenegro zeigte sich heute zum Radfahren von einer wenig einladenden Seite. Dazu gab es über viele Kilometer eine Baustelle. Rechts von mir war die Straße wohl mehr als einen Meter tief abgegraben. Ganz am Rand fahren war für mich unmöglich. Womit der Abstand bei den Überholvorgängen der Autos dann auch fast gegen Null ging. Als das Schild mit dem Baustellenende kam, fuhr ich sofort rechts ran. Ich musste mich entspannen.

 

Entspannt fahren ging auf meiner Route danach für einige Zeit nur kurz vor und nach der Grenze zu Kroatien. Offensichtlich war es vorher in Montenegro der lokale Verkehr, der stockte. Doch je weiter ich in Kroatien vorwärtskam, desto mehr Autos kamen auch wieder dazu. Es war auch dort etwas stressig. Und ich wegen der Hitze zudem nicht so gut gelaunt. Gefreut haben mich heute nur die paar wenigen Kilometer ohne Autos, und die eindrucksvollen Ausblicke auf die Küste und auf Dubrovnik. Beim Auswringen der gewaschenen Radsachen war ich dann aber doch wieder zufrieden. Dass ich es durchgezogen habe, und dass die Linguine mit Gemüse und Tomatensauce erste Klasse waren.

 

27. August 2024

Schönes Dalmatien und ein Abstecher nach Bosnien

Auf den ersten paar Kilometern begleitet mich milchiges Morgenlicht. Die der Küste nahen Inseln liegen in Pastelltönen im Meer. Der Himmel ist leicht bedeckt. Es fühlt sich nicht so heiß an wie gestern. Und mit den aufkommenden Sonnenstrahlen ist alles schön anzuschauen. Die weißen Schiffe strahlen im Sonnenlicht. Es gefällt mir. Immer wieder tauchen neue Inseln links von mir auf.

 

Irgendwann kommt die Abzweigung nach Bosnien und Herzegovina. All die anderen Fahrzeuge wählen die Autobahn geradeaus, und bleiben damit auf kroatischem Staatsgebiet. Ich mache einen kleinen Abstecher, und habe die Straße für 25 Kilometer fast nur für mich allein. Herrlich, auf heller, breiter und guter Straße entlang eines Gewässers unbeschwert dahinzugleiten. Bei solchen Bedingungen und ohne Verkehr ist es zum Juchzen. Beim Jausenkauf staune ich, dass das Brot schon wieder anders ausschaut, und auch ein bisschen anders schmeckt. Und dass Wasser je nach Land gleich mehrfach anders schmecken kann, ist mir auch schon öfters aufgefallen. Derzeit ist Jana aus Kroatien mein absoluter Favorit. Nicht nur des Geschmackes wegen, sondern auch wegen des Designs der Flaschen. Die gefallen mir absolut. Aufschriften wie „Take me where I want to be“, oder „ Take me where the nature shows it’s power and mildness“ fahren bei mir mit jedem Schluck voll ein.

 

In einer großen, verzweigten Bucht am Weg reiht sich Boje an Boje. Muscheln werden hier gezogen. Bei einem Unterstand arbeiten mehrere Männer. Es schaut so aus, als ob sie den Fang am Sortieren wären. Näher zu Kroatien kommt etwas Gegenwind auf. Und wie jeden Tag, wird es gegen Mittag wieder heiß. Von einer imposanten, einen Meeresarm überspannenden Autobahnbrücke mache ich gleich einige Bilder. Die weißen Stahlseile glitzern in der Sonne. Imposant, wie die fast zweieinhalb Kilometer lange Brücke abgespannt ist. Sie wirkt sehr filigran. Ein Schmuckstück in Weiß über einem heute durchaus kräftigen Blau.

 

Etwas später, und nach einem längeren Anstieg, tut sich eine spannende Landschaft auf. Von oben blicke ich auf viele schmale Wasserstraßen hinab, die sich immer neu verästelnd durch ein großes Landbecken erstrecken. Auf den von Schilf umsäumten kleinen Landflächen sind sattgrüne, niedere Bäume zu erkennen. Vielleicht sind es Zitrusfrüchte, die hier angebaut werden. Ich wähle die Straße rund um dieses Becken, und bin damit wieder weg vom Verkehr. Doch weg von der Hitze bin ich dadurch nicht. Bei einem kleinen Anstieg fahre ich linksseitig hoch. Und des Schattens wegen fast im Kies neben dem Asphalt. So interessant sich Dalmatien landschaftlich zeigt, die Bedingungen zum Radfahren sind ab Mittag eher suboptimal. Ich komme zwar voran, doch die Hitze ist lähmend. Und wenn ich am Weg Wasser kaufe, so trinke ich die eineinhalb Liter fast in einem weg.

 

28. August 2024

Ein wunderbarer Fluss als Abwechslung zur Meeresküste

Ich starte bei ähnlicher Morgenstimmung wie gestern. Die Farben sind noch stumpf. Erst als mich die ersten Sonnenstrahlen von hinten erreichen, bekommt die Umgebung Leben. Die Farben können sich entfalten. Aus den seitlich der Straße im Regengerinne liegenden blassen Kiefernnadeln leuchtet plötzlich Feuer. Und ihr Grün auf den Bäumen wirkt üppig intensiv. Auch am Meer vor der Küste tut sich was. Es werden zwar andere weiße Schiffe sein als gestern, doch mit der Sonne stechen auch sie als perlweiße, fast blendende Blickpunkte hervor. Die Wirkung ist fast noch stärker, denn das Meer liegt ganz ruhig da.

 

Auf meiner rechten Seite erheben sich nach einiger Zeit mächtige Felswände steil empor. Ich staune, ob ihrer gewaltigen Wirkung. Der Felsgürtel zieht sich entlang der Küste nach Norden. Der Fuß ist gesäumt von grünen Kiefern. Manchmal ist es ein breiter Gürtel, und dann wieder nur ein ganz schmales Band. Bei einer Stelle dürften die Bäume großflächig abgestorben sein. Die rötlichen Baumkronen wirken wie herbstlich gefärbt, und bilden einen starken Kontrast zum Grün rundum, oder zum Grau der Felsen oberhalb von ihnen.

 

War es in der Früh ein Fahren bei wenig Verkehr, so denke ich mir am späten Vormittag, dass es für mich zu viel davon gibt. Das Mitschwimmen im Verkehrsstrom gefällt mir nur mäßig. Zu meinem Glück zweigt irgendwann eine Verbindungsstraße zur Autobahn ab. Unglaublich, wie gleich die Lust am Fahren größer wird, wenn da keine Autos neben mir mit am Weg sind. Und ganz groß wurde meine Freude, als ich die Küstenstraße verlasse. Über einen längeren Anstieg gelange ich in ein Tal parallel zur Küste. Herrlich. Und ruhig. Nur karstige Felsen und etwas Wald in den Flanken und kräftiges Grün im Talgrund, in dem ein Fluss sein Bett gefunden hat. Rafting wird hier angeboten. Und nahe zu einem solchen Platz mache ich Pause. Ich sitze auf einem großen Stein umgeben von kristallklarem Wasser, und finde erfrischende Abkühlung. Die Raftingtouristen kommen mir erst später entgegen, als ich schon wieder am Rad sitze. Auf der schmalen Straße sind es einige Busse mit Anhänger und mehreren aufgeladenen Gummibooten.

 

Nahe zur Mündung des Flusses Cetina ins Meer weiß ich dann, dass sie eine Fundgrube für eine Vielzahl an Sportarten ist: Neben Rafting bekomme ich noch Canyoning, Schwimmen, Kanufahren, Bootfahren, Stand-Up Paddling, Seilrutschen, Klettern und Fischen mit. Essen und Trinken wurde auch noch angeboten. Nur beim Radfahren war ich glaub der einzige Teilnehmer.

 

29. August 2024

Herrliches Fahren an vielen Steinmauern entlang

Aus Split raus geht es ganz gut zum Fahren, auch wenn ich anfangs eine Rotwelle erwische. Doch abwärts mache ich die Zeit dann wieder wett. Da geht es mir fast zu schnell. Mit Grün bei den Ampeln bin ich im Nu wieder auf Meereshöhe, und kann den nächsten Anstieg starten. Ich gelange auf einen schmalen Schotterweg. Er führt mich nach Salona, oder den Resten der Hauptstadt der ehemaligen römischen Provinz Dalmatien. Sonderlich beeindruckend wirken die Ausgrabungen in der Morgendämmerung nicht. Auch das Amphitheater mit der Skyline von Split im Hintergrund kann für mich keine große Ausstrahlung entwickeln.

 

Mehr Ausstrahlung geht da fast vom neuen Flughafenterminal außerhalb der Stadt aus. Das wirkt offen und freundlich. Die Zufahrtsstraße „Kiss & fly“ lasse ich rechts liegen. Ich fahre auf meiner Route geradeaus weiter. Ich nenne sie „Kiss & bike“, und kurble zufrieden die nächsten Hügel hoch. Mit der Sonne im Rücken und den gedämpften Farben der Olivenbaumkulturen und der Felsen rundum gefällt es mir sehr. Ein Marmorsteinbruch ist auch zu sehen, oder gleich mehrere davon. Und eine Eisenbahntrasse gibt es auch, die irgendwo immer wieder meine Route kreuzt. Elektrifiziert ist sie nicht. Auf den engen Radien und der Steilheit des Geländes wegen werden hier wohl nur Bummelzüge fahren.

 

Der Anstieg zieht sich. Mit der Sonne wird er zur Schwitzpartie. Doch mit nur wenig Verkehr finde ich es wunderbar. Und ganz lässig wird es, als ich irgendwann auf eine kleine Nebenstraße abbiegen kann. Da ist es ein herrliches Gleiten kleinen Steinmauern entlang. Auf leicht abfallender Straße stehe ich mit zurückgeneigtem Gesäß im Sattel und federe die Kuppen und anderen Unebenheiten mit den Knien ab. Es ist wie Schwimmen auf einer Welle. Herrlich. All die kleinen Wiesenstücke und Baumkulturen sind mit Steinmauern eingefriedet. Steine gibt es hier genug. Keine Ahnung, ob man das Land weiter pflegt. Dem Zustand mancher Mauern nach, wohl eher nicht. Doch einige Generationen davor haben das Land mal fruchtbar gemacht.

 

Weil ich in der nur dünn besiedelten Gegend lange keinen Laden finde, entwickle ich einen Heißhunger, und esse dann eindeutig zu viel. Die Trauben zum Nachtisch hätten wohl für ein paar Tage gereicht. Das Weiterfahren war daher anfangs mühsam. Auch die mittägliche Hitze setzte mir zu. Aber bei den Feigenbäumen am Weg musste ich dennoch bei jedem wieder zugreifen. Frisch vom Baum schmecken die reifen Früchte einfach köstlich. 


Als ich am frühen Nachmittag ziemlich müde absteige, meine ich, dass es ein toller Tag war. Das Fahren ohne Verkehr gefällt mir immer. Und die Landschaft hier mit den Steinmauern tat es auch. Doch beim Essen muss ich es mir besser über den Tag hin aufteilen.

 

30. August 2024

Den mächtigen Velebit erfolgreich gequert

Mit den am Land schon gewohnten Hahnenrufen starte ich in den Tag. Olivenhaine liegen am Weg, die Bäume reichlich voll mit großen, hellgrünen Früchten. Dazwischen gibt es immer wieder ein paar Rebenreihen, die jedoch wenig gepflegt ausschauen. Den Feigen kann ich eine Zeit lang widerstehen. Nur irgendwann gönne ich sie mir doch, ich sage zum Frühstück. Herrlich, vom Rad aus pflücken zu können. Oder die reifen Früchte aufbrechen und ihr Inneres anschauen. Vereinzelt liegen ein paar Steinhäuser am Weg. Oft versteckt hinter Gebüsch. Kleine Granatapfelbäume sehe ich auch. Und immer wieder Ameisenstraßen, die den Weg queren. Ich glaube, die sind auch mit einem Navi unterwegs, so zielstrebig wie sie einander auf einer Linie folgen.

 

Die schmale Straße verläuft angenehm abwechslungsreich durch das Gelände. Links und rechts von ihr sind als Abgrenzung zu den dahinter liegenden Wiesen Dornen- oder Gebüschhecken. Es schaut alles ein wenig wild aus. Zum Fahren finde ich es angenehm. Auch später, als ich auf der Hauptstraße unterwegs bin, gefällt es mir. Der wenige Verkehr trägt dazu bei.

 

Am späten Vormittag taucht dann aus dem Dunst ein Gebirgszug auf. Nur langsam ist seine ganze Dimension zu erkennen. Es ist der Velebit. Ich habe mächtig Respekt. Denn meine Route führt in seine Richtung, und irgendwo muss ich da rauf. In einem kleinen Laden im letzten Ort vor dem Anstieg „tanke“ ich noch voll. Und bald ist auch die lange Rampe zu erkennen, auf der es hochgeht. Sie zieht sich bei gleichmäßiger Steigung endlos der Bergkette entlang. Ich fahre immer im gleichen Gang, etwas monoton das Kurbeln. Über einige Kilometer wurde die Straße abgehobelt. Da ist es für mich am Rand holprig, und auch anstrengend zum Fahren.

 

Nach einer letzten Kurve höre ich mich selbst sagen: Hey, spannend, wie es da weitergeht. Die Straße verschwindet mit ein paar Kehren hinter den Felsen, und windet sich einen vorher nicht einsehbaren Übergang hoch. Es gefällt mir, schaut aus wie auf einem Schweizer Alpenpass. Oben bin ich ganz zufrieden, trotz klatschnassem Shirt und ebensolcher Hose. Im Fahrtwind der Abfahrt trocknen sie wieder etwas ab. Doch die Schweißränder an der Hose bleiben. Egal. Gut raufgekommen bin ich jedenfalls, und den Anstieg genossen hatte ich auch.

 

31. August 2024

Chillen auf flacher Rolleretappe

Der Gebirgszug Velebit sei eine Klimascheide, konnte ich gestern am Abend nachlesen. Und am Morgen wusste ich dann, wie groß der Unterschied zwischen dem mediterranen Klima an der Küste und dem Gebirgsklima dahinter ist. Ich startete mit Ärmlingen und Pullover bei frischen 12 Grad. Unglaublich, die Differenz zu den letzten Tagen an der Küste oder den beiden Monaten davor. Da schwitzte ich schon fast beim Aufsteigen aufs Rad. Heute hatte ich jedoch den Pullover gar hoch geschlossen, und staunte, dass es einem auch um die Beine herum frisch vorkommen kann.

 

Mit der Sonne im Rücken war es ein feines Radeln. Mein langer Schatten zeigte mir den Weg auf der Straße voraus. Die noch tiefstehende Sonne brachte die Landschaft zum Leuchten. Kräftige Farben in den Gräsern, und in den Bergen rundum. Es war ein entspanntes Pedalieren auf flacher Strecke durch eine weite Ebene. Zur linken Seite markierten Bergzüge deren Grenze. Am Vormittag war viel Farn zu sehen. Kräftiges Grün mit etwas Rot. Hie und da waren auch Kühe auf der Weide. Hellgrau mit großen Hörnern, und die Kälber mit gelben Ohrmarken bald größer als der Kopf.

 

Bei meiner ersten Pause in einem Park suchte ich eine Bank in der Sonne. Sonst wäre es mir glaub gar zu kalt gewesen. Ich konnte mich gar nicht mehr zurückerinnern, wann dies zuletzt der Fall gewesen war. Denn ohne Schatten gibt es gar keine Pause, war zuletzt immer meine Richtschnur. Meine Bank war neben einer Statue von Franjo Tuđman, dem ersten kroatischen Präsidenten. Davor waren einige große Kerzen in den Nationalfarben aufgestellt. Patriotismus geht hier über alles.

 

Das Fahren hat mir gefallen. Kaum Verkehr und eine gute Straße. Irgendwann tauchten dann mehr Häuser entlang der Strecke auf. Doch alle mit weiten Abständen. Einige auch als kleine Bauernhöfe. Statt der Feigen gab es hier Zwetschgen auf den Bäumen an der Straße. Sie schmeckten mir gut, doch waren sie wegen der Sonne viel zu warm, um sie direkt vom Baum weg zu essen. Und statt Obst und Gemüse im Straßenverkauf, wurden hier Kartoffeln angeboten. Bei den Schildern musste ich schmunzeln. Denn „Krumpir“ klingt ja fast gleich wie das Vorarlberger Wort „Grundbira“.

 

Ich war heute ohne große Eile am Weg. Mittags zog es mich im Wald in einen Seitenweg. Im Schatten ein kurzes Nickerchen war die Idee. Es wurde gar ein längeres. Die Sonne weckte mich wieder. Sie war an meinem Baum vorbeigezogen.

 

1. September 2024

Ein schöner Pass mit magischem Ausblick

Am Morgen staune ich über alle Maßen. Denn kaum ist der August vorbei, stellt sich der Herbst mit einem Alternativprogramm vor: Es hat Nebel. Doch ich mache rasch ein paar Höhenmeter, und kann dem Nebel über die Schulter schauen. Und nach ein paar langen Kurven mehr im Wald ist es ein schöner Morgen, an dem sich auch die Sonne langsam zeigt. Bei angenehm gleichbleibender Steigung kurble ich die Straße hoch. Vor der letzten Kuppe biege ich rechts ab, und gelange auf eine alte Straße. Mit einigen engen Serpentinen und kräftigem Wind im Rücken erreiche ich den Passübergang. Es ist der Vratnikpass.

 

Als ich das Rad zu einem Aussichtspunkt vorschiebe, entfährt mir ein lautes Boah. Es tut sich eine gigantische Aussicht auf das Meer auf. Wie Wale liegen die cremefarbigen Inseln vor der Küste im Meer. Ich bin fasziniert. Auch wenn es etwas dunstig ist, so tut dies meiner Begeisterung keinen Abbruch. Das war jetzt absolut großartig. Ein schöner Anstieg wird mit einer Überraschung belohnt. Hey, ist das ein Schauen rundum. Im Landesinneren, woher der Senj Bura weht, zeichnen sich die Bergzüge im Gegenlicht in unterschiedlichen Graustufen ab. Und vor der Küste liegt ein wunderbares Inselparadies. Auf einer Tafel lese ich, dass die Straße im 18. Jahrhundert gebaut wurde, und dass es damals die wichtigste Verbindung vom Landesinneren zur Küste und zum Meer war.

 

Vom Pass weg fahre ich vom Rauschen zahlreicher Windräder begleitet der Höhenlinie entlang nordwärts. Es geht flach dahin, und dennoch sammle ich Höhenmeter. Immer wieder gibt es ein paar längere Abfahrten dazwischen, denen gleich wieder ebensolche Anstieg folgen. Die Landschaft gefällt mir. Es ist steinig rundum, und von eher rauem Charakter. Im Vergleich zu den Windrädern kurble ich fast dreimal so schnell. Doch bei der Geräuschkulisse sind eindeutig sie die Tonangebenden.

 

Ich wundere mich, dass ich auf der Straße immer wieder an Pferdemist vorbeikomme. Als ich eine frische gelbe Pfütze mit noch nassen Randspritzern entdecke, bin ich bei den Abfahrten vorsichtig. Ich meine, dass vielleicht jederzeit ein Tier erschreckt aus dem Gebüsch springen könnte. Doch es gibt Entwarnung. Die Pferdeherde steht bei einem Sumpfloch unter der Straße, und einige Tiere mehr im Schatten von Bäumen abseits davon. Es ist demnach ein freies Hochalmgebiet, durch das ich unterwegs bin. Die Pferdeherde passt wunderbar hierher. Eines der Tiere steht auf der Straße weiter vorne. Ich kann ihm zuschauen, wie es mit ein paar wenigen Tritten seiner schlammbedeckten Hufe geschickt die steinige Barriere am Straßenrand überwindet. Rennpferde wird man hier sicher nicht auf die Alm schicken. Doch der etwas derbe Landschlag kommt mit diesem Untergrund anscheinend gut zurecht.

 

Später geht es en einer langen Abfahrt rasant Richtung Küste. Und ebenso schnell wie die Höhenmeter weniger werden, klettert die Temperaturanzeige hoch. Mir weht ein trockener, heißer Wind entgegen, und es macht sich sofort Schwüle breit. Ich muss an den Velebit und das Gebirgsklima im Landesinneren denken. Doch das kühlt nur ein wenig, und nur in Gedanken. Denn als ich am Navi von der Kartenansicht zur Datenseite wechsle, stehen da schon wieder mehr als 40 Grad. Der Motivation wegen bleibe ich für den Rest des Tages bei der Kartenansicht. Mich fordert die gewählte Route mit immer wieder längeren Anstiegen schon genug. Doch der Vormittag mit dem Vratnikpass, der Aussicht, und dem Fahren auf dem Höhenzug entlang, das war schon klasse.

 

2. September 2024

Ein Anstieg mit Morgensonne und ein super Schuhservice

Gleich zum Start heißt es kräftig in die Pedale treten. Ich setze nämlich den unterbrochenen Anstieg von gestern fort. Da meinte ich, dass die Straße steil ist. Und heute in der Früh schaute es nicht anders aus. Am Navi ist mein Anstieg eine rote Linie. Nicht grün oder orange, was etwas entspannter zum Fahren wäre, sondern kräftig rot. Die Höhenlinien liegen eng beieinander. Da steigt auch der Puls kräftig mit.

 

Beim Blick zurück liegt die Bucht von Rijeka noch etwas im Dunst. Kurz vor sieben Uhr hatte ich dann Begleitung. Die Sonne fuhr mit mir hoch. Herrlich, wie sie hie und da durch die Bäume blinzelte. Sie ließ die eine oder andere Fensterscheibe der Häuser am Hang glitzern. Und dort, wo sie im Wald durchkam, da brachte sie die Buchenblätter zum Leuchten. Oder sie zauberte einen orangen Schimmer auf den Asphalt, auf dem ich am Hochfahren war, mit meinem Schatten voraus als Tempomacher. Es gefiel mir. Auch wenn der Atem schnell ging, machte es mir Spaß.

 

Bei einer kurzen Abfahrt zwischendrin hatte ich Glück. Der entgegenkommende Kleinbus bremste in der Kurve rechtzeitig ab. Und ich kam mit blockierendem Hinterrad ebenfalls noch vor ihm zum Stehen. Auf der schmalen Straße hätte es sonst blöd ausgehen können. Kurz war damit mein Puls auch ähnlich hoch wie im Aufstieg. Irgendwann nestelte ich mein Halstuch aus der Lenkertasche. Im Schatten des Waldes fand ich es reichlich frisch. Doch weiter oben, als es rundum lichter wurde, wärmte die Sonne wieder angenehm. Bei einer kleinen Ortschaft hatte jedes Haus mehrere Brennholzstapel vor dem Gartenzaun. Und auch an der Straße entlang waren sie zu sehen, mit den Gerätschaften wie Traktoren und Spaltmaschinen mit dazu. Ich brauchte kein Holz zum Mitnehmen. Mir war vom Fahren warm genug. Als es dann in die Abfahrt durch Slowenien Richtung Triest ging, war es wieder sommerlich heiß, und am Meer unten sowieso.

 

In Triest hatte ich mir einen Radladen auf meine Fahrtroute gesetzt. Ich wollte unbedingt die vorderen Kunststoffnoppen an der Sohle meiner Schuhe ersetzen. Die waren komplett abgelaufen. Der Cussigh-Shop in der Via Flavia war dabei ein Glückstreffer. Zum einen hatte er edle Rädler zum Staunen, und zum anderen ein super Service für mich: Sie schraubten die nötigen Teile kurzerhand von neuen Schuhen ab und auf meine drauf. Zum Fahren brauchte ich sie zwar nicht, doch zum Anschieben oder Laufen geht es mit intakter Sohle eindeutig besser. Ich war zufrieden.