Peloponnes anpeilen

26. Juli 2024

Hügelige Landschaft und immer wieder Hunde

Am Morgen erinnerte ich mich emotional an 5 Jahre zurück. Am 26. Juli 2019 hatte ich meinen letzten Arbeitstag. Da bin ich mit dem Rad in die Pension gestartet. Und an dem Tag hatte ich auch meinen Reiseblog erstmals ins Netz gebracht. Unglaublich, dass ich seither mehr als 75.000 dokumentierte Kilometer am Rad zurückgelegt habe.

 

Meine Etappe heute hatte ich nicht sonderlich vorbereitet. Nur das Ziel war klar: Chisinau, Hauptstadt Moldawiens. Ich meinte, dass es bis dorthin einfach zum Fahren sein wird. Doch das Land entpuppte sich als sehr hügelig. Und eine weitere Überraschung gab es schon nach gut einer halben Stunde. Mein Navi meinte offensichtlich, dass ich Schotter- und Lehmwege gerne mag. Und so schwitzte ich mich über viele Kilometer auf solchen ab. Es war aufwärts wie abwärts nicht sonderlich erfreulich zum Fahren. Als es nach einer rasanten Abfahrt auf gutem Asphalt bei einer 90 Grad Kurve plötzlich geradeaus auf Schotter weitergehen sollte, verweigerte ich. Ich nahm einen größeren Umweg in Kauf, und wiederholte dies noch ein weiteres Mal. Heute war mir Asphalt eindeutig lieber.

 

Ein paar motorisierte Kleinfahrzeuge mit Ladefläche gab es auch zu sehen. Doch Pferdefuhrwerke dominierten das Bild am Land. Während ich in einer langen Steigung im ersten Gang schnaufte, kam mir eines dieser Fuhrwerke recht schnell entgegen. Dass die Räder eierten, war schon von weitem zu sehen. Doch dass es nicht mal Gummiräder hatte, überraschte mich dann doch. Die schmalen Holzräder mit Eisenring machten einen gehörigen Lärm. Er schreckte an einem Hof die Hunde auf, die wild bellend das Fuhrwerk verfolgten. Doch auf gleicher Höhe war dann ich mit meinem Rad für sie natürlich interessanter. Und obwohl vom Fahren schon hochpulsig, gab es mit den Hunden noch eine deutliche Steigerung. Keine Ahnung, ob sie wirklich zubeißen würden. Doch wenn da mehrere von allen Seiten zähnefletschend nach einem schnappen wollen, ist einem nicht mehr ganz geheuer. Passiert ist nichts, und die Steigung hatte ich auch geschafft. Doch diese Hunde und einige weitere mehr waren heute wirklich lästig.

 

In Chisinau gab es dann den angekündigten Regen. Aber bis zu meinem kleinen Abendspaziergang durch ein nahes Parkviertel der Stadt hatte es schon wieder aufgeklart. Sowjetische Architektur und Autos dominierten. Doch ganz so ohne Charme ist die Hauptstadt mit den vielen Bäumen in den Straßen nicht.

 

27. Juli 2024

Betonplatten, Sonnenblumen, und Nussbäume

Am Morgen fuhr ich noch eine kurze Runde bei der großen Kathedrale und beim Triumphbogen vorbei. In den Parks waren nur ganz wenige Leute unterwegs. Etwas mehr dann in den Autos stadtauswärts. Vielleicht weil Samstag war. Bei einer Abkürzung geriet ich in ein Viertel mit Wohnblocks. Die Straße war dort einziges Flickwerk. Kaum zum Fahren. Doch auf der autobahnähnlichen Hauptstraße erwarteten mich dann ähnliche Verhältnisse: Grauenhaft aufgeworfene und geflickte Betonplatten. Es rumpelte die ganze Zeit. Bei den Autos war es ein schnelles Stakkato. Bei mir eine bloße Holperei.

 

Irgendwann quert mal eine Frau die vierspurige Straße. Sie zieht mit einem Strick eine Kuh hinter sich her. Auf der anderen Seite stehen schon zwei angepflockt weidend in der Wiese. Keine Ahnung, ob sie ganz viele hat. Doch die eine Querung war jedenfalls mutig. Am Seitenstreifen oder über dem seitlichen Graben finden sich auch immer wieder Melonenverkäufer. Manche mit großem Lieferwagen, einzelne mit kleinen Traktoren, die meisten mit normalen Autos und Gartenschirm.

 

Die Straße bringt mich gehörig zum Schwitzen. Sie geht zwar irgendwann in gut fahrbaren Asphalt über, doch es sind die vielen Steigungen. Hügel langsam rauf, auf der anderen Seite rasant runter. So wiederholt es sich viele Male den ganzen Tag. Bei den Anstiegen hielt sich meine Freude in Grenzen. Doch bei den Abfahrten genoss ich den kühlenden Fahrtwind im schweißbedeckten Nacken.

 

Was mich heute auch den ganzen Tag über begleitet hat, das waren riesige Sonnenblumenfelder. So weit man sehen konnte, bedeckten sie die Hügel rundum. Das waren schöne Eindrücke. Und gefallen haben mir auch die großen Nussbäume links und rechts der Straße. Unglaublich, dass so etwas alleeartig fast über hundert Kilometer gehen kann. Und dann habe ich bei einem Bahnübergang noch gestaunt, dass es da ein besetztes Schrankenwärterhäuschen gab. Ein Fahrverbotsschild ist mir auch noch aufgefallen. Bei Temperaturen über 30 Grad dürfen untertags keine Fahrzeuge mit mehr als 20 Tonnen fahren. Heiß war es heute jedenfalls, auch für mich. Nachmittags spürte ich die Hitze sehr. Bei einer Kleintankstelle kaufte ich mir Wasser und Limo. Der Tankwart bot mir einen Sitzplatz unter den Nussbäumen an. Den hatte ich genossen, und die fast zwei Liter zum Trinken auch. Abends bekam ich dann noch eine gagausische Hochzeitsfeier mit. Ich hatte ein Zimmer neben einem Veranstaltungszentrum. Es war ein mächtiger Auflauf, und eine etwas eigenartige, jedoch nicht ungute Musik.

 

28. Juli 2024

Sonntagshitze und gagausische Gastfreundschaft

Von der Hochzeitsgesellschaft standen am Morgen nur noch wenige Autos da. Leute waren keine zu sehen. Waren wohl alle müde vom Feiern und vom vielen Tanzen. Obwohl etwas laut, hatte ich gut geschlafen. Und weil es am Morgen bei 20 Grad am Rad angenehm zum Fahren ist, trat ich sonntäglich beschwingt in die Pedale. Eine die Straße mit einem Hirten querende Kuhherde bremste mich kurz ein. Ein Schäferhund war hinten Antreiber und achtete darauf, dass kein Tier aus der Herde ausbüxte. Doch danach fuhr ich meinen Rhythmus, und war nebenbei am Schauen, wer sonst noch am Weg ist.

 

Ein paar ältere Frauen mit weißen Kopftüchern und am Stock gehend waren auf dem seitlichen Fußweg im Schatten der Nussbäume. Ein Eselfuhrwerk kam mir auch entgegen. Am Wagen waren lange Maispflanzen geladen. Der Bauer saß im Wagen drin, schaute fast nur mit dem Kopf über die hohen Bordwände raus. Lustig anzuschauen. Später begegneten mir zwei schwarze Erntemaschinen. Ihre breiten Mähbalken schleppten sie auf einem langen Hänger hinter sich her. Die waren wohl am Weg zu einem der vielen Sonnenblumenfelder. Stylish, fiel es mir ein, in der Farbe des Erntegutes lackiert zu sein.

 

Bei den kleinen langgezogenen Ortschaften an der Straße stach mir ein markantes Gelb ins Auge. Es waren die Gasleitungsrohre, die oberirdisch geführt sind. Bei den Haustoren oder Zufahren waren die Rohrständer entsprechend höher. Bei den dünnen Zuleitungsrohren zu den Häusern hingen die Gaszähler in Kopfhöhe herunter. Das war überall gleich. Ansonsten waren die Rohre wohl ohne Wasserwaage oder Winkel recht freihändig verlegt. Gelb waren sie jedenfalls alle, und dicht wahrscheinlich auch.

 

Bei meiner späten Vormittagspause in einer kleinen Stadt saß ich im Schatten vor dem regionalen Verwaltungsgebäude. Irgendwann kam ein Mann dazu, und leistete mir interessiert Gesellschaft. Er hatte seine Frau mit dem Auto hergefahren, und wartete bis sie die Einkäufe erledigt hatte. Unsere Unterhaltung beschränkte sich anfangs auf Handzeichen. Meine Herkunft, die Route, die Dauer, die Kilometer waren so schnell erklärt. Und er war Polizist, in Pension, aus dieser Stadt, und kein Radfahrer. Ein bisschen was geht auch ohne Sprachkenntnisse immer. Er wollte mich unbedingt zum Essen zu ihm nach Hause einladen, und insistierte fast schon aufdringlich. Schließlich erreichte er seinen Sohn am Telefon, der mir sein Anliegen ins Englische übersetzte. Sein Sohn erklärte mir dann, dass es hier in Gagausien oder auch in Moldau zur Kultur gehöre, Gäste einzuladen und zu bewirten. Doch für mein Argument der Hitze des Tages zeigten dann beide Verständnis. Die Verabschiedung fand dann gleich doppelt statt. Obwohl eigentlich nicht zu verfehlen, ist er mir bis zum Stadtende vorgefahren, und hat mir den Wegweiser und die Straßenrichtung nach Rumänien gezeigt. Moldawische Gastfreundschaft nach gagausischer Art. Abends las ich dann ein wenig über Gagausien nach. Ich entdeckte, dass diese autonome Provinz auch speziell zu Russland eine politische Gastfreundschaft am Entwickeln ist. Spannend. Denn Ende Oktober finden Präsidentschaftswahlen statt, und gleichzeitig wird es ein Referendum zum EU-Beitritt Moldawiens geben.

 

29. Juli 2024

Donau gequert und im Delta unterwegs

Von meiner Unterkunft bis zur Donau war es nicht weit. Ein paar Kurven stadtauswärts, eine kurze Abfahrt, und am Navi machte sich blaue Farbe breit. Auf eine Brücke eingestellt, erwartete mich jedoch eine Fähre. Es standen schon ein paar wenige Autos auf ihr. Kaum hatte ich mein Fahrrad hochgeschoben, wurde das seitliche Geländer zugezogen. Ich kam also gerade rechtzeitig an Bord. Irgendwo stand Ticketverkauf angeschrieben. Der Mann, der nochmals kurz das kleine Schalterfenster für mich öffnete, eilte danach die Stiege hoch. Er war zugleich Kapitän. Ein Müllwagen fuhr ebenfalls mit, einige Männer in Arbeitsmontur, und ein paar Fischer mit Angelruten und Gummistiefeln. Pferdefuhrwerke und Störche waren nicht an Bord. Die hatte ich erst wieder auf der anderen Uferseite gesehen. Ich freute mich, die Donau kurz vor ihrer Mündung zu queren. Den einen Kilometer Flussbreite hatte ich mit einem erhabenen Gefühl genossen, die kühlende Brise mit dazu.

 

Der Wind trieb mach dann flott weiter. Nur ein paar Mal war meine Fahrtrichtung ungünstig. Mit dem Rückenwind war es jedoch ein lässiges Gleiten. Wenn Vögel aufstiegen, staunte ich, wie rasant sie im Wind abdriften können. Irgendwann kam ich an einer großen rostigen Metalltafel vorbei. „Biosphärenpark Donaudelta“ war darauf zu lesen.

 

Die Straße wies immer wieder kleine Anstiege auf, und jede Menge Kurven. Manchmal gab es schattenspendende Bäume. Doch noch viel mehr gab es Lastwagen auf der Strecke. Die hatten es ziemlich eilig, in beide Richtungen. Ich wunderte mich, weil alle die gleichen Mulden hatten und Getreidetransport angeschrieben war. Ich dachte, dass ich dann wohl bald an den Feldern und den Erntemaschinen vorbeikommen werde. Doch ich kam nur an einer Stichstraße zur Donau hin vorbei, mit der Ukraine auf der anderen Seite. Die Lastwagen standen aufgefädelt Schlange, und warteten auf die Überfahrt. Es waren also Getreidetransporte aus der Ukraine, die mir hier begegneten.

 

Später war es dann ruhiger auf meiner Route. Ohne Lastwagen war es ein angenehmes Fahren. Mittags machte ich an einem kleinen Fußballplatz Rast. Die Sitze an den Seiten für Betreuer und Reservespieler waren überdacht. Ein Lottosechser also für mich. Denn Schatten war mir ob der zunehmenden Hitze wichtig.

 

30. Juli 2024

Goldgelbe Getreidefelder und ein schwarzes Display

Ich hatte das kleine Häuschen für mich allein gehabt. Außen schaute es so wie all die anderen Häuser hier am Land aus, nur dass es bunter war. Es war weiß gekalkt, hatte blaue Fensterrahmen und ein blaues Unterdach. Passend zum nahen Donaudelta war es mit Schilf gedeckt. Rundum gab es meist nur graues Welleternit. Die Einweisung erfolgte telefonisch. Das metallene Schiebtor und die Haustüre standen offen. Wifi gab es keines. Ich sei am Land und die anderen kämen alle zur Erholung, hieß es am Telefon. Beim Nachbarn waren zwei Hunde. Die meldeten brav und laut, wenn sich auf der Straße was tat. Zumindest taten sie es am Abend. Am Morgen bei meinem Losfahren war alles ruhig.

 

Und ruhig war es auch auf der Straße und beim militärischen Schießgelände, das ich durchquerte. Die Männer in Tarnanzügen waren wahrscheinlich erst mit organisatorischen Vorarbeiten beschäftigt. In einer der kleinen Straßensiedlungen begegnete mir ein Pferdefuhrwerk. Das kleine, weißgraue Pferd schnaubte zufrieden, und der Mann am kutschbockähnlichen Brett am Wagen winkte freundlich. Das war so bisher eher selten der Fall. Ich freute mich, und rief ein lautes „Buna ciua“ zurück. Zumindest die Grußformel hatte ich auf Rumänisch parat. Mehr brauchte ich bei diesem Kontakt ja auch nicht.

 

Die Route führte mich vormittags durch eine wunderbare Landschaft. Rundum Getreidefelder, alle bereits abgeerntet, das Stroh zum Teil auch schon eingesammelt, oder in Ballen auf den Abtransport wartend. Dazu eine flache Weite zum Staunen, und hie und da ein paar sanfte Hügel. Schafherden gab es auch, große und kleine, und auf der Straße manchmal auch deren Kot, wo sie diese querten. Der trockene Wind passte gut in diese Landschaft, nicht nur weil er für mich heute von hinten kam. Irgendwann tauchten auch Windräder am Horizont auf, und spannen sich dann schier endlos weiter. Und dort, wo kein Getreide angebaut wurde, war es Mais, der die Fläche ebenso füllte. Ein Zwiebelfeld hatte ich auch noch gesehen. Da haben mir die in der Mitte aufgestellten roten und bereits gefüllten Netzsäcke als Blickfang zur sonst fahlen Umgebung gefallen.

 

Weit vor Konstanza war es dann aus mit der ländlichen Idylle. Ich war auf einer stark befahrenen Straße gelandet. Nach einem Industriegebiet war es der Großstadtrubel und der kilometerlange Baderummel an der Schwarzmeerküste, die das Fahren stressig machten. Unglaublich, wie es in kurzer Zeit von einem Extrem ins andere überschwappen kann. Dazu ist mir noch ein Missgeschick mit dem Telefon passiert. Bei einem Kartencheck unterwegs blieb das Display schwarz. Mit dem Schwarzen Meer hatte es sicher nichts zu tun. Rumdrücken und Wischen nützte nichts. Es blieb schwarz, und ich damit auch etwas orientierungslos im Stadtverkehr. Nach ein paar Kilometern fiel mir dann ein, dass ich vielleicht den Helligkeitsregler unbemerkt verstellt haben könnte. Zwei Teenagermädchen wussten Rat. Ich hatte sie aufs Geratewohl angesprochen, weil sie gerade mit ihren Smartephones hantierten. Und siehe da, im Schatten eines Baumes und unter vier zusätzlich abdunkelnden Händen meinte eine, den Schieberegler bedienen zu können. Hey, war mir da leichter. Und die beiden Mädchen hatten auch eine Freude, und strahlten über beide Ohren. Die Geschichte wird jetzt wohl in ihren Social-Media-Kanälen die Runde machen.

 

31. Juli 2024

Ein erster Tag in Bulgarien

Am Morgen gab es aus der Stadt raus gleich viel Verkehr wie gestern am Nachmittag beim Reinfahren. Die Straße queren war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn Autos haben hier Vorrang, oder nehmen sich ihn. Später, und je weiter weg von Konstanza, dünnte es den Verkehr dann etwas aus. Doch ein Foto vom glitzernden Schwarzen Meer zu machen, traute ich mich nicht. Stehen bleiben hielt ich für zu gefährlich. Doch ich war nicht als einziger langsam unterwegs. Ein Eselgespann mischte sich auch zwischen die Autos, und konnte sich gut behaupten. Vielleicht kannte der Esel die Strecke schon. Oder er hatte ein Navi. Denn beim Kreisverkehr nahm er auch die zweite Ausfahrt, gleich wie ich. Er war also auch am Weg zur Grenze nach Bulgarien. Oder zumindest ein Stück weit.

 

Die Grenzkontrolle verlief ohne Probleme. Es gab kein Warten, weil auch kaum Autos rüber wollten. Dafür stauten sich auf der anderen Seite die Lastwagen. Mir schien, als ob die Abfertigung erst später starten würde. Denn die Fahrer hatten ihre Führerhäuser alle verlassen, und standen in Gruppen an der Straße.

 

Meine Vormittagspause machte ich auf einem kleinen Skatepark. Eine der Rampen diente als Sitzplatz, und die vielen Bäume spendeten angenehmen Schatten. Dass da auch viele Polizeiautos und Polizisten standen, merkte ich erst nach dem Einfahren. Zuerst schaute es nach einer Besprechung aus, doch dann wurde es scharf. Bei mir waren es die Chilischoten zum Fetakäse, und bei der Polizei eine Anhalteübung mit Autos. Folgetonhorn ein, nah auffahren, nach Stopp zu zweit aus dem Auto springen, Waffe zücken, vor den Wagen hinstellen, Waffe auf Fahrer richten, Tür aufreißen, so ging es ein paar Mal dahin. Ich brauchte für meine Jause länger als sie mit Üben.

 

Auf der Straße war nach der Grenze anfangs kaum was los. Das hat mir gefallen. Hie und da das sich blau und glitzernd gebende Schwarze Meer zu sehen, oder Sonnenblumenfelder und abgeerntete Getreidefelder mit der schönen, goldähnlichen Farbe. Und dazu das monotone Surren meiner Kette und der Reifen zu hören. Ein paar schwere Traktoren waren auch auf den Feldern. Den Boden umbrechen war glaub ihre Aufgabe. Kurz fing ich mit Rechnen an, wie oft der Traktor da auf und ab fahren muss, bis er das ganze Feld hinter sich hat. Doch gleichzeitig Kurbeln und Rechenaufgabe lösen funktionierte nicht. Ich beließ es beim Kurbeln auf gutem Belag bei wenig Verkehr.

 

Gegen den Nachmittag hin veränderte sich die Landschaft. Zum Meer hin war es nicht mehr flach, sondern es tauchten markant abfallende Klippen auf. Für mich gab es damit ein paar Höhenmeter mit dazu, und manchmal eine schöne Aussicht ebenso. Gestört haben mich manchmal der viele Müll am Straßenrand, und die Rumpelpisten in den Ortschaften, wenn ich von der Hauptstraße abgewichen bin.

 

1. August 2024

Ukrainische Draniki als Belohnung

Mit einem breiten, cremigen, sattorangen, und später dann farblich schwächer werdenden Band empfängt mich die Sonne beim Aufwachen. Ein feiner Morgen also, wenn auch schon etwas warm. Und es wird mir gleich auf den ersten Kilometern nochmals wärmer. Ein langer Anstieg wartet. Das Meer liegt eine Etage tiefer. Die Sonne dafür um einiges höher. Ich gleite auf der ersten Steilstufe parallel zum Meer dahin, mit reichlich Abstand zu den Klippen. Nach dem Anstieg eine Freude zum Fahren. Doch sie währt nur kurz. Ich erreiche die große Stadt Varna, und der dortige Verkehr erreicht mich.

 

Auf einer vierspurigen Straße schwimme ich so gut es geht mit. Weiche den Kanaldeckeln und anderen Löchern aus, und meistere die kurzen Anstiege und Abfahrten im Stadtgebiet. Die Sonne habe ich im Rücken. Ein paar Rennradler sind auch unterwegs. Wenn sie mich überholen, sehe ich ihre Schatten rasch daherkommen. Ihrem Outfit, den Rädern und dem Fahrstil nach halte ich sie für ambitionierte Vielfahrer. Sie scheinen mit dem vielen Verkehr besser zurecht zu kommen, oder bilde ich mir ein. Eine große, hohe Brücke ist schon von weitem zu sehen. Beim Fahren nimmt sie fast kein Ende. Weil ich am Morgen viel getrunken habe, setzt mich die Brücke etwas in Stress. Abwärts gebe ich jedenfalls kräftig Gas, und bei der ersten Gelegenheit biege ich in die Büsche ab.

 

Für einige Zeit bin ich auf einer alten Straße durch ein Waldgebiet unterwegs. Die Bäume spenden wohltuenden Schatten. Und weil der andere Verkehr auf der Schnellstraße geblieben ist, ist es trotz des Anstieges ein entspanntes Fahren. Umso krasser wird es dann, als ich die Umfahrungsstraße wieder erreiche. Starker Reisetag würde es bei der Bahn wohl heißen, und Sitzplatzreservierung wird empfohlen. Ich hatte die weiße, seitliche Begrenzungslinie für mich reserviert, und versuchte mich darauf zu behaupten. Hie und da wurde es bei den Lastwagen eng. Oder ich rief einem der Autos ein lautes Hey nach, weil manche rücksichtslos nah vorbeirauschten.

 

Nach gut 60 Kilometern machte ich meine Vormittagspause. Ein schattiger, sonst jedoch leidlich ungepflegter Park in einer Ortschaft war mit Tisch und Bank ideal. Schon bald leistete mir eine aschfahle, hochbeinige Hündin Gesellschaft. Doch mehr als mit ihr hatte ich mit ihrem Welpen meine Freude. Der was lustig anzuschauen, wie er immer wieder ganz verspielt an der Hündin hochsprang. Oder volles Tempo springen musste, wenn er ihr durch den Park folgen wollte. Ein herziger Wollknäuel auf Einüben im Streunen.

 

Die Pause hat mir gutgetan. Danach warteten ausgiebig Höhenmeter. In der Sommerhitze waren sie ziemlich fordernd. Oder in Kombination mit dem vielen Verkehr. Das ständige Rauschen nervte. Die Belohnung mit der rasanten Abfahrt Richtung Meer, das sich an der Küste mit hellem Sandstrand und ganz in Türkis zeigte, war mir heute fast zu wenig. In einem ukrainischen Restaurant gönnte ich mir noch herrliche schmeckende Draniki mit Pilzen. Und weil der Hunger groß war, bestellte ich zusätzlich Kartoffelpüree mit Brokkoli. Der junge Mann vom Service meinte, dass dies zwar nicht typisch ukrainisch wäre. Doch wenn ich es gerne mag, sei es natürlich ideal, und gebe zum Radfahren richtig Power sowieso.

 

2. August 2024

Dem Schwarzen Meer Ciao gesagt

Dort wo gestern Autos und Busse Schlange stauten, war am Morgen nur ein Wassertankwagen am Weg. Er benetzte die Straße großflächig, und sorgte zumindest kurz für feuchte Verhältnisse und angenehmes Klima. Bei den Bushaltestellen waren überall Frauen mit orangen Westen am Aufräumen. Strohbesen und Kehrschaufel waren ihre Arbeitsmittel.

 

Die Stadt ging nahtlos in die nächste über. Badeorte am Schwarzen Meer. Ich versuchte auf einer Nebenstraße übers Land mein Glück. Dort gab es zwar kaum Verkehr, dafür war die Straße ein Flickwerk, und machte das Fahren anstrengend. Doch irgendwann gewöhnt man sich an das Holpern, und man findet sich mit dem Gegebenen ab. Von einer Anhöhe waren die Hochhäuser des noch weit entfernten Burgas am Schwarzen Meer zu sehen. Ein Flugzeug steuerte ebenfalls dorthin. Wahrscheinlich ein Ferienflieger, der für Nachschub am Strand und in den Hotels sorgen wird. Auf leicht abfallender Straße komme ich der Stadt rasch näher. In einem großen Wiesengelände ist eine riesige Herde von Pferden auszumachen. Umsatteln wäre hier also möglich, ging es mir durch den Kopf. Doch eine Straßengabelung lenkte mich ab, und brachte mich auf einen unerwartet schönen Radweg entlang der Küste. Ich teilte ihn mit einigen Läufern, und wenigen anderen Radfahrern.

 

Schlammbaden war irgendwo auch möglich. Mir begegneten ein paar Leute in kohlschwarzer Montur. Ich freute mich, dass ich nicht durch die Stadt fahren musste. Auf dem kurzen Stück an der Küste war es richtig lässig. Auch im Übergang zur Stadt verlief der Radweg durch schöne Parkanlagen. Was grün sein sollte, wurde kräftig bewässert. Und der Anzahl an Bänken nach, scheint hier später wohl reger Besucherandrang zu herrschen. Mir passte es jetzt am frühen Vormittag ohne große Menschenmengen ganz gut.

 

Kurz überlegte ich, am Schwarzen Meer entlang weiterzufahren. Doch auf der Schnellstraße ging es zu wie in einem Bienenstock. Ich wählte daher die Alternative: Weg vom Meer und ab ins Hinterland. Heiß war es dort zwar auch. Doch ohne viel Verkehr jedenfalls angenehmer. Bei den Steigungen tat ich mir mit Fortdauer des Tages aber zunehmend schwerer. Die Hitze setzte mir zu. Ich machte mehr Pausen als sonst. Bei einer schaute ich dabei mal ins Innere meiner Trinkflasche. Und damit hatte ich auch gleich eine Beschäftigung. Mit Klopapier, dem Stab meines kleinen Dreibeinstativs und viel Geduld war die Flasche wieder sauber zu kriegen. Doch auffüllen tat ich sie danach dennoch nicht. Denn die wenigen Wasserkäufe unterwegs trank ich jedes Mal in einem weg.

 

3- August 2024

Hosgeldeniz - Willkommen in der Türkei

Gestern voll brütende Hitze, und heute am Morgen gar etwas frisch. So kommt es mir zumindest vor, als ich um halb sieben losstarte. Das Thermometer zeigt 14 Grad. Für die anstehende Steigung gerade recht. Bei der Ortsausfahrt steht ein Pferd mitten auf der Straße. Die Morgensonne setzt es gekonnt in Szene. Das Bild schaut gut aus. Doch beim Näherkommen macht es kleine, komische Bocksprünge. Ihm sind die Vorderbeine an den Fesseln mit einem Strick eng zusammengebunden. Mir tut es leid, ein Fluchttier so zu behandeln.

 

Irgendwann in der Steigung überholt mich ein Militärlastwagen. Er kriecht stinkend an mir vorbei langsam hoch. Hinten drauf sitzen zwei Soldatinnen. Sie rauchen. Ich denk mir, na Zewas, die passen gut zusammen. Nicht viel später erreiche ich die Grenze zur Türkei. Auf bulgarischer Seite ist die Passkontrolle bei den Autos auf der Beifahrerseite. Die Autofahrer müssen alle aussteigen und ums Auto rumlaufen. Ich habe es da als Radfahrer deutlich leichter, kann bequem im Sattel sitzen bleiben. Auf türkischer Seite wird mein Pass von drei verschiedenen Stellen kontrolliert. Wahrscheinlich schaut jeder etwas anderes nach. Den Tagesstempel bekomme ich gleich, und die Einreise ist bis auf ein bisschen Warten unkompliziert. Großes Engagement ist den Beamten jedoch nicht anzusehen. Sie sitzen eher missmutig in ihren Häuschen. Ich freue mich dennoch. Die Türkei ist für mich etwas Besonderes.

 

In der ersten Ortschaft fällt mir sofort das spitze Minarett einer Moschee ins Auge. Die Männer in den kleinen Bars am Dorfplatz natürlich auch. Und dass alles sehr unordentlich ausschaut und überall Müll rumliegt, oder die Häuser einen verfallenen Eindruck machen, sowieso. Ein paar Kilometer weiter ist im einsamen Nirgendwo eine Polizeikontrolle angeschrieben. Wegen mehrerer Absperrgitter ist Slalomfahren gefordert. Jandarma, steht auf den Gittern. In Tarnanzügen sitzen fünf Beamte im Schatten unter einem überdachten Bretterverschlag etwas erhöht über der Straße. Ein kleiner Holzofen steht davor. Auf ihm kocht einer der Beamten gerade Tee, und gießt ihn in Tassen. Weil ich ein entgegenkommendes Auto abwarte, habe ich Zeit zum Schauen. Ich deute mit erhobenem Daumen, dass der Ofen mit dem Tee oder das Bild gut ausschaut. Und so komme ich zu einer unglaublichen Einladung bei den Jandarma.

 

Sie machen gerade Pause und sitzen bei gedecktem Tisch. Ich darf mich dazu setzen, bekomme Tee angeboten, und alles von ihrer Jause sowieso. Mir kommt es wie im Märchen vor. Ich habe Hunger, und es schmeckt köstlich. Brot, gegrillte Paprika- und Zucchinistücke, angebratene Kartoffelschnitten, Tomaten, Gurken, Oliven, Käse, und als Dessert Kaymak-Creme mit Honig. Ich genieße die Pause in vollen Zügen. Eigentlich wollte ich den Vormittag nutzen und gehörig Kilometer machen, bevor es wieder richtig heiß wird. Doch im Schatten des Bretterverschlages und bei gedecktem Tisch entwickle ich keine Eile zum Vorankommen. Es hat glaub auch den Beamten gepasst, nicht nur mir. Die paar wenigen Autos werden währenddessen durchgewunken. Die ganze Aufmerksamkeit gilt mir, und dem Essen. Türkische Gastfreundschaft.

 

Etwas später begegnen mir Kühe auf der Straße. Der junge Hirte fährt mit dem Moped hinterher, und treibt sie so voran. Ein paar Steigungen und Kilometer weiter sehe ich eine riesige Schaf- und Ziegenherde im Gebüsch. Ich bleibe stehen und warte ab. Die begleitenden Hunde sind mir nicht geheuer. Doch die zwei nachkommenden Hirten geben mit ihren Hirtenstöcken Entwarnung. Es sei alles ok. Auf seinem Handy tippt einer die Zahl 6.500 ein. Ich kann es kaum glauben. Und dann noch 8 dazu. Das ist die Anzahl ihrer Hunde. Weitab von Siedlungen durchkreuzen sie die hügelige Landschaft.

 

In der Nachmittagshitze treffe ich dann nochmals auf zwei Jandarma. Sie spritzen mit Wasser gerade ein Straßenstück ab. Vielleicht dass es ihnen auf dem Asphalt bei der Kontrolle nicht zu heiß wird. Das Wasser kommt auch mir gelegen. Denn mein Fahrrad und die Taschen sind total verstaubt. Ich war einige Zeit auf einer Schotterstraße gefahren. Bereitwillig spritzen die beiden auch mein Fahrrad ab. Gehört vielleicht noch zur Gastfreundschaft für Radfahrer.

 

4- August 2024

Lustvoll dem Marmarameer entlang

Nicht dass ich unbedingt früh aufstehen wollte. Doch mit einem Zimmer neben einer Moschee lässt es sich nicht verhindern. Um 5 Uhr gab es ein Gutenmorgen-Gebet via Lautsprecher vom Minarett. Gestartet bin ich dann dennoch viel später. Die Straßen waren wie ausgestorben. Ganz im Gegensatz zu gestern am Abend und dem quirligen Stadtleben bis spät in die Nacht.

 

Irgendwann quere ich eine neue Brücke. Sie führt über eine im Entstehen befindliche Eisenbahntrasse, schnurgerade von West nach Ost, durch eine ländlich geprägte Landschaft. Auf einem Feld sind Strohballen hoch aufgestapelt. Die Morgensonne verstärkt das Gelb des Strohs, und gibt ihm einen eigenen Reiz. Es wird wohl zu einer Stallanlage gehören, an der ich später vorbeikomme. Ich zähle 14 große Hallen hinter Stacheldraht, in denen es recht laut zugeht. Und am Feld daneben treibt ein Mann drei einzelne Kühe auf das abgeerntete Getreidefeld, neben dem Sonnenblumen ein knalliges Gelb zeigen.

 

Die von mir gewählte Route führt mich quer übers Land. Manchmal ist es gut zum Fahren. Und dann finde ich wieder Schotterpisten oder Flickasphalt vor. In den kleinen Ortschaften ist die Straße meist mit Betonsteinen gepflastert. Vielleicht waren sie neu mal plan verlegt. Doch das wird schon Jahrzehnte her sein. Bei einer dieser Ortschaften passiere ich am Ortsende einen Metallbogen, an dem Güle Güle draufsteht. Ich muss schmunzeln, denn vor ein paar Minuten bin ich bei einem Feld vorbeigekommen, an dem ein Bauer gerade Jauche ausgebracht hat. Die vielen Maisfelder werden alle bewässert. Die Dieselmotoren für die Pumpen sind von der Straße aus gut zu hören. Und erkennbar sind sie auch leicht, als rußige und verölte, kohlschwarze Maschinenteile irgendwo bei den Einfahrten in die Felder.

 

Als sich von einer Anhöhe aus erstmals das Marmarameer zeigt, liegt es ein bisschen wie im Dunst. Erst gegen Mittag setzt sich die Sonne voll durch, womit es auch schlagartig richtig heiß wird. Und ganz heiß wird mir dann in den Hügeln nah zum Meer. Ich sammle kräftig Höhenmeter. Abkühlung finde ich bei einem Stopp an einem Bach. Die kleinen Ausweichen der schmalen Straße, die sich die bewaldeten Hügel hochwindet, sind mit Autos vollgeparkt. Im Bachbett sehe ich viele Familien mit Picknickausrüstung. Unter den Bäumen und nah zum Wasser lässt es sich aushalten. Bei mir gibt es Brot mit Paprika. Die Trinkflasche kühle ich im Bach. Und meine Snickers habe ich dort auch länger eingelegt, womit sie wieder etwas fester im Biss werden, statt der sonstigen Schokopatzerei.

 

Schweißtriefend erreiche ich nach einigem Auf und Ab dann endlich die Berghöhe auf fast 400 Metern. Das Marmarameer liegt mit gewaltiger Aussicht vor mir. Eine Wucht. Ich sehe einige Frachter Richtung Dardanellenstraße ziehen. Und mich dann bald auch die vielen Zickzackkehren hinunter zur Küste, und an ihr weiter entlang. Es gefällt mir sehr, das Plätschern der Wellen zu hören, plötzlich Olivenbäume zu sehen, den Trubel in den schmalen Ortsdurchfahrten mitzubekommen, und zu staunen, wie gut sich kleine Einachsschlepper mit Anhänger zum Familientransport eignen.

 

5. August 2024

Schotterpiste und eine Fährfahrt

Auf die Muezzins ist Verlass. Die sind pünktlich mit ihrer Erinnerung zum Gebet. Auch heute konnte ich es um 5 Uhr wieder hören. Aufgestanden bin ich jedoch erst später, als die Sonne schon das schmale Wolkenband über dem Marmarameer überwunden hatte, als kleiner orangeroter Ball, der stetig Höhe gewann.

 

Meine Route hatte ich mir nicht sonderlich angeschaut. Ich dachte nur, dass es passen könnte, wenn ich nicht den ganzen Tag auf der Hauptstraße fahre. Doch die vom Navi gefundenen Nebenstraßen hatten es in sich. Gleich bei der ersten Abzweigung zögerte ich. Es war ein schmaler Feldweg. Doch ich fuhr dennoch ein, weil ich auf der Karte auf die Schnelle keine Alternative fand. Vorbei an einer Schafherde und ihrem Hirten fuhr ich mutig dem Weg nach. Ich weiß nicht, ob der Hirte den Kopf geschüttelt hat, als er mich sah. Ich schüttelte jedenfalls den Kopf, als ich die Senke sah, die ich überwinden sollte. Sau steil bergab, und richtig steil bergauf, was ich nur schiebend schaffte. Es wiederholte sich gleich noch weitere Male. Dafür war ich allein unterwegs, und hatte freien Blick auf die Frachtschiffe am Marmarameer. Der Feldweg verlief nämlich küstennah.

 

Einem Fischer konnte ich zuschauen, wie er auf seinem schaukelnden Boot nah zum Ufer Zug um Zug sein Netz einholte. Irgendwann wurde der Feldweg dann zu einem breiten Schotterweg. Gut fahrbar, wenn auch etwas rumpelig. Der Lastwagen, der kurz vor mir einbog, zog eine lange Staubfahne hinter sich her. Später sah ich ihn mit angehobener Ladefläche rückwärts gerichtet in einer Mulde an der Straße stehen. Von dieser versuchte ein Traktor auf den Lastwagen aufzufahren. Seine abgesenkte Schaufel diente als Stützhilfe. Es zog sich ein paar Minuten, doch irgendwann strahlte der Traktorfahrer, und stellte den Motor ab. Weitab von Siedlungen gibt es halt keine Laderampen. 

 

Eine etwas größere oder gar riesige Auffahrtsrampe gab es hingegen auf die neue Hängebrücke über die Dardanellen. Mit einer Spannweite von 2.000 Metern ist sie ein imposantes Bauwerk, und nur für den Autoverkehr zugänglich. Ich durfte weiter unten mit der Fähre queren. Den Weg dorthin fuhr ich auf der autobahnähnlichen Schnellstraße. Wahrscheinlich hätte ich auf der Brücke oben den Wind noch stärker gespürt als auf der Fähre. Am Wasser etwas störend, war er mir in Çanakkale dann umso lieber. Zumindest in den Straßen nah zum Wasser wirkte er in der Sommerhitze erfrischend. Das Geschehen in der Stadt war dann der volle Kontrast zum Vormittag auf den Schotterpisten am Land. Cay-Träger mit dem Elektroroller waren für mich der Hit. Ich staunte, wie geschickt sie einhändig sich im Verkehrsgewurrle behaupten können, ohne einen Tropfen des türkischen Nationalgetränkes zu verschütten.

 

6. August 2024

Troia, Oleander und Olivenbäume

Am Morgen machte es mich staunen, wie ruhig sich eine Stadt geben kann, in der es am Tag davor pulsierte. In der Altstadt war Remmidemmi bis in die Nacht. Jetzt bis auf das Taubengegurre und das gelegentliche Geräusch von Autoschiebetüren war alles still. Und herrlich war auch die kühle Luft. Eine Wohltat. Meinen Bewegungsdrang schränkten nur ein paar Rotphasen bei den Ampeln ein. Doch danach, der Dardanellenstraße entlang, war das Fahren eitel Wonne. Die Sonne im Rücken, das Türkis des Wassers, und die bunten Frachtschiffe hoben die Stimmung. Gefallen haben mir auch die Brennholzstapel auf den Gehsteigen vor den Bäckereien und Pideläden. Holzofengebacken musste man hier nicht mehr anschreiben.

 

Nach gut einer Stunde kurbelte ich eine Sackgasse hoch. Der Weg war leider zugewachsen. Ich kam nicht weiter, und musste umkehren. Die schweißtreibende Steigung schaffte ich dann ein paar Kilometer weiter, und verließ damit die Küste. Beim Schild „Troia“ bog ich dann mit großer Erwartungshaltung ab. Mein Interesse an den Ausgrabungen war jedoch eher verhalten. Ich erlebte sie wenig spektakulär. Wohl auch, weil ich beträchtliche Wissenslücken in Geschichte feststellte. Dazu war das Trojanische Pferd als Neukonstruktion erst im Aufbau. Troia war also nur ein kurzer Ausflug.

 

Länger war ich danach auf der Straße Richtung Ägäis am Weg. Die Hitze und ein paar Steigungen forderten. Die Oleander als Straßenschmuck freuten, der reichliche Plastikmüll im Graben daneben irritierte. Als sich dann auf der Höhe oben der Blick auf das Meer wieder auftat, war es eine lustvolle Abfahrt. Die vielen Olivenbäume passten perfekt zum Türkis des Wassers und dem strohgelben Gras der Wiesen. An der Küste war reger Badebetrieb. Irgendwo hatte mein Hinterrad dann noch eine dünne Metallklammer aufgegabelt. Zuerst meinte ich, dass die Bremse schleift. Doch beim Check im Stillstand ragte das gute Ding nur noch zur Hälfte aus dem Gummi. Ohne Luft schob ich das Rad noch quer über die Straße zu einer Hauseinfahrt weiter vorne. Ein Olivenbaum war dort willkommener Schattenspender für die Reparatur.

 

Abends lockte ein Gartenlokal mit grandioser Aussicht auf die türkische Küste und die gegenüberliegende griechische Insel Lesbos. Am Teller gab es Gözleme mit Käse und Spinat. Der Salat mit Tomaten, Gurken und grünen Pfefferoni war fein mariniert. Der Granatapfelsaft war eine Empfehlung, die schmeckte. Und Ayran musste natürlich auch noch sein. Ich war zufrieden.

 

7. August 2024

Affenhitze und aufgeweichter Asphalt

Schon in der Früh ist es mit der Sonne sehr warm. Im Laufe des Tages hat es sich dann noch kräftig gesteigert. Am Morgen ist es windstill. Das Meer ist eine glatte Fläche, liegt mit einem milchigen Schimmer da. Wäre da nicht die Küste auf der anderen Seite mit einem schmalen, dunklen Streifen, so würde die Farbe des Meeres mit jener des Himmels in einer verschmelzen.

 

In den Ortschaften werden die mit Gras bewachsenen Trennstreifen der Fahrbahnen bewässert. Hie und da spritzt es auf die Straße. Dort wo Wasser ist, ist es satt grün. Daneben staubig trocken, das Gras strohig gelb. Auf den Betonpflastersteinen geht es etwas holprig durch die zusammenhängenden Siedlungen am Meer. Noch ist es dort bei meinem Durchfahren ruhig. Doch die vielen Verkaufsstände, kleinen Märkte, Restaurants, und anderen Läden lassen darauf schließen, dass da viel Kundschaft zu erwarten ist. Die Holperei beim Fahren nervt mich. Ich war auf flottes Düsen eingestellt. Doch ich fahre eher einen langsamen Zickzack-Kurs. Auf der Hauptstraße geht es zwar schneller, doch sind die Seitenstreifen nicht durchgängig, und ich muss mehr auf den Verkehr achten.

 

Irgendwann treibt es mich von der Küste weg. Dass mich dabei Höhenmeter erwarten, wusste ich. Doch dass sie dann sehr zäh werden, habe ich so nicht erwartet. Es geht eine langgezogene Hügelkette in Etagen hoch. Weil der Asphalt grobkörnig ist, ist es ein etwas unruhiges Fahren. Der Föhrenwald bietet nur hie und da Schatten. Anzuschauen ist er schön. Die großen, buschigen Kronen kragen weit aus, und zeigen sich in einem verführerischen, satten Grün. Am Boden ist es dagegen staubtrocken. Die vielen Föhrenzapfen werden anscheinend eingesammelt. Ich komme an einer riesigen, planen Fläche vorbei, wo sie schön nebeneinander zum Trocknen aufgeschichtet sind. Dahinter gibt es eine große Maschinenanlage, auf der sie wohl weiterverarbeitet werden. Siedlungen gibt es auf meiner Route nur vereinzelt kleine. Dafür gibt es von etwas anderem eine große Menge: Es sind Zikaden. Ihr Gesang ist überlaut. Und weil der Wald kein Ende nehmen will, habe ich ihr Konzert auch über mehrere Stunden eher unangenehm im Ohr.

 

Zwischen den Föhren liegen immer wieder große, runde Steine. Etwas später komme ich an einem Firmenareal vorbei. Granit wird hier verarbeitet, steht angeschrieben. Und solche Steine, wie sie im Wald herumliegen, sehe ich dort auch auf großen Lastwagen. Sie fahren dieselbe Straße hoch wie ich. Mit den Steinen beladen mühen sie sich ebenso wie ich die Steigungen hoch. Der Asphalt ist wohl auch der schweren Lastwagen wegen aufgeweicht. Kohlschwarz schlängelt sich das Fahrbahnband kurvig hoch. Ich fahre am Rand. Denn in der Mitte meine ich, kleben zu bleiben. Irgendwann finde ich einen Brunnen mit fließend Wasser. Es plätschert beruhigend aus dem Mauerwerk hervor. Zwei Bäume spenden mir Schatten. Ich mache eine lange Pause, mit den Füßen im Brunnen. Andere dieser Quellbrunnen an der Straße bringen kein Wasser mehr. Zu meinem zurückgefahren wäre ich jedoch nicht. Die Hitze und die Steigung forderten mich voll. Als Sahnehäubchen des Tages, das auf dem heißen Asphalt jedoch sicher angeschmort wäre, verliere ich am Hinterreifen Luft. Dabei wäre es da gerade in die Abfahrt übergegangen. So schmore halt ich noch etwas weiter in der Hitze, bis ich den Ersatzschlauch fertig montiert habe. Abwärts zeigt sich die Fahrbahn gleich wie aufwärts: Kohlschwarz und aufgeweicht. Rasantes Fahren geht nicht. Ich bin eher vorsichtig am Weg. Abends rufe ich mir das Bild vom Meer am Morgen in Erinnerung: Hey, das war schön. Hätte vielleicht doch dort bleiben sollen.

 

8. August 2024

Ein Feigenbaum als Schattenspender

Ein herrlicher Morgen. Die Temperatur fühlt sich angenehm an. So könnte es bleiben den ganzen Tag. Ich fahre Richtung Süden. Die Sonne steht noch tief im Osten. Sie wirft von der erhöhten Straße meinen Schatten in ein tieferliegendes Feld mit dunkelgrünen Baumwollpflanzen. Beim nächsten Feld sind es Sonnenblumen, durch und durch braun getrocknet. Nicht eine Spur ist noch von Grün oder Gelb zu sehen. Ein paar Felder weiter sind es Windräder, die sich munter drehen. Ich habe etwas Rückenwind. Das gefällt mir. Und gefallen finde ich auch an den satten Farben, die die tiefstehende Sonne am Morgen daher zaubert.

 

Auf der Straße bin ich nicht allein unterwegs. Der Verkehr ist schon ziemlich dicht. Richtung Izmir pendeln glaub viele Leute. Eine Menge Busse lesen sie unterwegs auf. Auch Bauern sind am Weg zur Arbeit auf den Feldern. Natürlich mit den Traktoren, und Frauen mit wehenden Röcken und Kopftüchern. Diese stehen seitlich links und rechts vom Fahrer. Oder sitzen hinten auf einer kleinen Ladefläche oder im Anhänger. Bei einem großen Firmengelände höre ich es aus den Hallen hämmern. Windräder werden hier hergestellt. Ich staune ob der Dimensionen der Rohre. Die geputzten Schweißnähte glänzen in der Sonne. Das Lackieren kommt wohl erst noch.

 

Bei einem Kreisverkehr auf der Strecke gibt es einen großen Stau. Lastwagen verstopfen die Straße. Mein Navi meint, dass ich genau dorthin fahren soll, wo die Lastwagen schier endlos Schlange stehen. Irgendwann zweifle ich, ob ich richtig bin. Doch weil ich vereinzelt auch Autos zwischen den Schwerfahrzeugen sehe, fahre ich weiter. Nach einigen Kilometern löst sich das Rätsel auf: Ich bin auf der Zufahrt zu einem Containerverladeterminal. Etwas weiter vorne habe ich dann auch freien Blick auf die Schiffe, die Kräne, und viele bunte, hoch aufgestapelte Container, an Land, oder bereits verladen am Schiff. Auf der Straße schaut es nach Chaos aus. Die Lastwagen fahren kreuz und quer. Die Straße ist nicht durchgehend asphaltiert. Es staubt gehörig. Von einem kleinen Hügel blicke ich dann kopfschüttelnd zurück. Nochmals möchte ich da nicht durchfahren.

 

Meine Jause genieße ich auf einer Brüstungsmauer am Meer. Es gibt Brot mit Käse. Der Wind lässt das Wasser stetig anrollen. Es rauscht laut. Ein Hund hat sich etwas weiter weg unter einer Bank verkrochen. Ich habe Schatten von einer Palme. Solche Essenspausen liebe ich. Dasitzen, rumschauen, große Bissen nehmen, reichlich trinken. Und kaum auf dem Rad, mache ich gleich nochmals Pause. Der Ast eines Feigenbaumes ragt auf die Straße. Biofeigen sind es sicher keine hier. Doch ich lasse sie mir schmecken. Den Straßenstaub spüle ich mit dem Wasser aus der Trinkflasche weg. Im Sattel sitzend Feigen pflücken, das gibt es auch nicht jeden Tag.

 

Die Schnellstraße habe ich so gegen Mittag verlassen. Danach finde ich einen Schotterweg entlang der Bewässerungskanäle von Baumwollfeldern. Manchmal gluckst es seitlich der Gräben, wo im Kanal eine Öffnung zum Abfließen in die Äcker ist. Und einen einzelnen Feigenbaum finde ich auf meinem Weg auch noch. Er kommt mir äußerst gelegen. Er hat zwar keine Früchte mehr, doch er spendet mir Schatten. Denn am Vorderrad verliere ich Luft. Schlauch wechseln ist also wieder das Programm, schon den dritten Tag hintereinander. Und weil das Rad dafür Kopf steht, tausche ich auch gleich noch die hinteren Bremsbeläge. Die waren fast schon blankes Metall. Ein Frosch kommentiert glaub das Geschehen vom Feld aus. Doch es könnte auch ein kicherndes Lachen sein, das da als Quakgeräusch zu hören ist.

 

Bis Izmir rein fahre ich viele Kilometer entlang der Küste auf einem hellblau eingefärbten Radweg. Auf ihm bin ich allein unterwegs. Doch über mir geht es recht laut zu. Die türkische Luftwaffe übt das Starten und Landen mit ihren Jets. Ich nehme an, dass sie nicht zur Radwegüberwachung in der Luft waren.

 

9. August 2024

Schon der letzte Tag in der Türkei

Beim Rausfahren aus Izmir waren Fischer mit Angelruten zu sehen. Sie nahmen rund um das Hafengebiet über viele Kilometer die Ufermauer in Beschlag. Kopf an Kopf standen sie da. Oder saßen auf der Mauer, oder auf ihren Klappstühlen. Lange Ruten, kurze Ruten, beim Fischen am Ufer scheint es keine Norm zu geben. Beim Vorbeifahren war mir nicht immer ganz geheuer, wenn die Männer sich zum Auswerfen bereit machten. Oder wenn das kurze Pfeifen des Auswurfs zu hören war. Irgendwann kam mir eine magere, schwarze Katze entgegen. Stolz trug sie ihren Fang im Maul. Keine Ahnung, ob selbst rausgefischt, oder von einem der Fischer zum Frühstück serviert bekommen.

 

Weit draußen in der Bucht ankerten die bunten Tanker. Ein großes, weißes Kreuzfahrtschiff nahm Kurs in Richtung Hafen. Und am knallblauen Himmel oben glitzerten hie und da Flugzeuge auf. Radfahrer waren keine zu sehen. Nur ein paar Jogger, oder Genussläufer, die auf einem der parallel verlaufenden Wege entlang der Küste ihrem Morgensport nachgingen.

 

Meine sportliche Betätigung dauerte etwas länger. Und mit jeder Stunde mehr, legte auch die Sonne nochmals etwas von der Hitze nach. Bei einer Hügelkette sah ich die Straße weit vorne an einem der Hügel hochklettern. Und kaum oben, sah ich bei der nächsten Hügelkette einen ähnlichen Verlauf. Es waren zähe Höhenmeter. Denn schattenspendende Bäume gab es keine. Irgendwann reichte mir eine Frau aus einem vorbeifahrenden Auto eine Wasserflasche durchs Fenster. Die hatte ich gleich leer. Das Auto blieb dann etwas weiter vorne stehen, und ich bekam nochmals eine Flasche. Diesmal war sie sogar eisgekühlt. Es war ein türkisches Paar aus Deutschland. Der Mann meinte, dass sich Türken bei der Hitze nie aufs Rad setzen würden.

 

Für den frühen Abend hatte ich von Cesme nach Chios die Katamaranfähre gebucht. Und kurz vor Mitternacht ging es dann ab auf eine richtig große Fähre. Die Nissos Rodos hatte im Hafen kaum Platz zum Wenden. Ein Koloss, fiel mir ein, als ich ihre beckenfüllende Längsseite vor mir sah. Athen war das Ziel. Gespannt, wie die 8 Stunden im Schlafsessel dann sein werden.

 

10. August 2024

Sightseeing in Athen

Gut geschlafen hatte ich auf der Fähre nicht. Und doch war ich erstaunt, dass die Fahrt schnell vergangen ist. Wenn man müde ist, dann geht das Schlafen auch im Sitzen. Beim Aufwachen hatte ich etwas Nackenweh. Keine Ahnung, was den anderen am Morgen weh tat, die einfach nur am harten Boden lagen.

 

In Athen staunte ich über die Hafengröße. Oder die vielen Gates, an denen mächtige Schiffe festgebunden waren. Es ist halt Urlaubssaison, und Griechenland mit seinen Inseln ein Paradies für Fährschiffe. Mein Frühstück genoss ich auf einer Parkbank an einem schattigen Fahrradweg. Es waren eingepackte Reste vom gestrigen Abendmenü in Chios. Ich ließ mir Zeit. Denn ich wollte erst um 10 Uhr bei einem Fahrradladen sein. Ich hatte ihn extra per Mail wegen meiner Schuhe kontaktiert, deren Sohlengummi fast schon voll abgetreten ist. Doch beim Ankommen gab es eine Enttäuschung. Das Geschäft hatte samstags zu. Damit war für kurze Zeit mal die Luft draußen. Und auf einen Schlag auch große Müdigkeit und ein bisschen Ratlosigkeit da.

 

Für Aufmunterung sorgten dann die anderen Touristen. Ich staunte, mit welchen Gefährten man in Athen in Gruppen die historischen Denkmäler anschauen kann. Segways waren groß vertreten. Mit einem, mit zwei, mit drei, oder auch mit vier Rädern. Solche zum Stehen und zum Sitzen. Und Fahrräder gab es auch, natürlich mit Elektroantrieb. Sweatless tours war auf denen angeschrieben. Bei mir verging der Tag jedoch nicht ohne Schwitzen. Es war auch hier in Athen heiß. Den Wachen beim Präsidentenpalast standen ebenfalls Schweißperlen im Gesicht. Oder sie mussten sich bei ihren reichlich komisch wirkenden Schrittfolgen zu sehr anstrengen. Sie hatten genagelte Holzschuhe mit schwarzen Wollknäueln auf den Schuhspitzen. Ein Touristenmagnet waren sie jedenfalls. Auch ich ließ mich anziehen, und meinte dann doch, dass es eine schräge Zeremonie ist. Zumindest die Geräusche ihrer Spikes auf den steinernen Bodenplatten konnte ich mit meinen Radschuhen auch nachmachen.

 

Das große Wahrzeichen von Athen, die Akropolis, schaute ich mir nur von unten an. Ich meinte, dass das mehr Zeit braucht, als ich mir nehmen wollte. Und auch angesichts der Hitze hielt sich mein Interesse in Grenzen. Vielleicht dachten sich das auch andere. Denn in einigen engen Gassen des Zentrums gab es kaum ein Durchkommen vor lauter Ansturm. Das basarmäßige hat auch mir gefallen, die angebotenen Waren gar nicht. Etwas gefunden hatte ich dennoch, nämlich Ersatzschläuche für mein Rad. Beim Einkaufen von Getränken später in einem kleinen Laden ermahnte mich die Verkäuferin, dass ich doch auf mein Rad aufpassen soll. Sie hatte das Abstellen des Rades und mein sorglos langes Verweilen im kühlen Laden beobachtet. Es sei Athen, da wisse man nie, meinte sie mit vielsagenden Gesten.

 

11. August 2024

Eine idyllische Straße am Meer, und die Straße von Korinth

Am Morgen ist es beim Losfahren nicht viel kühler als am Abend. Dafür ist auf den Straßen weniger bis gar nichts los. Vielleicht weil Sonntag ist. Ein paar magere Katzen sehe ich in den engen Gassen. Auf der Karte schaut es nach vielen kleinen zusammengesetzten Rechtecken aus. Die Fahrtrichtung ist meist mit Einbahnen geregelt. Ich halte mich nicht immer daran. Zum Fahren ist es unruhig. Die Straßen sind meist mehrfach schon geflickt. Die Packtaschen scheppern laut. Doch das Läuten der Kirchenglocken ist dennoch gut zu vernehmen. Und etwas später auch die Gesänge der Priester aus den Kirchen.

 

Im Frachthafen stapeln sich die farbigen Container. Viele Kräne zieren das Bild. Etwas weiter draußen sind große Schiffe zu sehen. Und Fährschiffe gibt es auch. Gleich fünf stehen wartend bereit, als die Straße von einer Meeresbucht unterbrochen ist. Lange warten muss ich also nicht. Die eine Fähre mit mir ist im Nu mit Autos und Motorrädern voll.

 

Die weitere Strecke verläuft entlang des Meeres. Es ist kitschig schön. Ein sonntägliches Türkis, an dem ich mich kaum sattsehen kann. Das saftige Grün der kleinwüchsigen Föhren zwischen Meer und Straße gibt dem Türkis noch mehr Glanz. Und weil das Wasser nur leicht gekräuselt ruhig daliegt, ist es Idylle pur. Bei einzelnen kleinen Orten am Weg säumen weiße und rote Oleander die Straße. Einige Badende haben trotz der Bäume Sonnenschirme aufgespannt. Ich fahre die Eindrücke genießend die vielen Windungen der Küste ohne große Eile ab. In der brütenden Hitze ginge es schnell ja sowieso nicht.

 

Etwas später werden die Orte und die Straßen größer. Es ist deutlich mehr los. Dazu verläuft parallel die Autobahn. Vor Korinth bleibe ich auf meiner meeresnahen Route. Doch beim Kanal vor Korinth ist kurze Pause. Die Schiffe haben für eine Stunde freie Fahrt. Die Brücke ist im Wasser versenkt. Mein Versuch der Umfahrung endet in einer Sackgasse. Ich gelange nur unter die Autobahnbrücke hoch, und nicht über den Kanal. Ich muss umkehren und wieder zurück. Von oben schaut das Wasser unten fast noch schöner aus. Doch der an dieser Straße abgelagerte Müll und Hausrat macht einem auch staunen. Wobei das Bild dann auch gleich wieder vergessen ist. Der freie Blick von unten in die lange, schmale Kanalschlucht hinein in die Straße von Korinth fasziniert beim Queren mehr.

 

12. August 2024

Kurvenreich türkisen Buchten entlang

Wow, was für eine Begrüßung gleich schon in der Früh. Beim Einschalten meines Garmingerätes kann ich in weißer, fetter Schrift auf grünem Hintergrund den Hinweis „Anstieg beginnt“ lesen. Das irritiert. Denn ich hatte gestern extra noch umgeplant, und die Kletterpartie mit den vielen Höhenmetern auf morgen verschoben. Doch der Anstieg jetzt am Morgen ist schnell bewältigt. Er war nur kurz. Aber am Abend weiß ich dann, dass viele kurze Anstiege in Summe dann auch kräftig Höhenmeter ergeben. Es war der Küste entlang ein stetiges Auf und Ab.

 

Jetzt am Morgen ist die Temperatur schon so, dass ich mir keine Steigerung mehr wünsche. Doch da spielt die Sonne leider nicht mit. Die lugt gerade als oranger Ball hinter einem der Berge aus Richtung Athen hervor. Und sie klettert schneller hoch, als ich es auf dem Fahrrad auf meiner Route schaffe. Sie wirft meinen Schatten seitlich in das strohige, niedere Gras. Weil wohl erst unlängst gemäht, ist auch der viele Plastikmüll im Gras gut zu sehen. Der Schatten radelt flott, ist mein Eindruck beim Hinschauen. Ich freue mich, dass mich da jemand die Anstiege hochziehen will.

 

Die Landschaft ist geprägt von Olivenbäumen noch und noch. Und den hohen, leicht rötlich gefärbten Bergen ringsum. Auf ihren Graten sind viele Windräder zu sehen. Sie drehen sich recht schnell. Ein paar Mal komme ich auch an Bäckereien vorbei. Es riecht nach frischem Brot. Bei einer mache ich kurze Pause zum Essen und Trinken. Meine bisherige Vorgangsweise mit dem Einkaufen auf Vorrat und dem Essen irgendwann später, wo es mir gerade gefällt, und wenn sich mein Hunger meldet, funktioniert schon seit vielen Tagen nicht mehr. Die große Hitze lässt es nicht mehr zu. In meinen Packtaschen und auch sonst ist es viel zu heiß. Der Käse zerrinnt, und Brot ist im Nu getoastet. Bananen sind in einem Tag schwarz. Snickers werden dünnflüssig. Dazu gibt es aus den Trinkflaschen nur Heißgetränke. Aber auf meiner Route liegen dann doch immer wieder kleine Ortschaften, wo ich etwas finde. Groß ist der Hunger untertags ohnedies nicht. Es geht mehr ums Trinken.

 

Ab dem späten Vormittag führt meine Route stets dem Meer entlang. Die vielen Buchten zeigen ein magisches Türkis. Weil die Straße etwas höher liegt, gibt es schöne Ausblicke. Ich bin fasziniert. Und am Abend ist es dann das Geschehen am Dorfplatz, das einen eigenen Reiz entfaltet. Mopeds, Mopeds, Mopeds. Die kleinen Viertakter bestimmten die Akustik und den Verkehr. Es sind zumeist Männer, die sie fahren. Und alle machen beim Vorbeifahren einen geschäftigen Eindruck. Einige kehren auf einen kurzen Stopp auch bei der Bar ein. Oder rufen den Männern dort was zu. Südländische Kultur ist eben schon ein bisschen anders. 

 

13. August 2024

Ein langer Anstieg und ein aufmerksamer Hirte

Ich starte schon recht früh. Kurz nach 6 Uhr ist es noch leicht dämmrig. Sicherheitshalber fahre ich für einige Zeit mit Licht, bis die Straße wieder am Meer entlang verläuft. Es liegt ruhig da. Nur leichtes Plätschern ist zu hören. Vereinzelt begegnen mir Mopeds. Die fahren ohne Licht. Nach ein paar weiten Kurven tut sich der Blick auf einen Bergübergang auf. Die Straße zeichnet sich als Schneise im Bergwald ab. Ein paar lange Rampen sind gut zu sehen, ein paar Spitzkehren auch. Ich bin gespannt, und habe Respekt. Es wird gut 1.000 Höhenmeter in einem hochgehen. Das Thermometer zeigt 27 Grad. Mit etwas Wind im Nacken fühlt es sich sogar gut an.

 

Vom Meer weg geht es die Ortschaft hoch. Ich motiviere mich. Also wenn die Mopeds diese steilen Straßen auch hochfahren, dann sollte ich es ebenfalls schaffen. Schon nach den letzten Häusern tut sich ein schöner Blick zurück auf die Küste auf. Er wird mit jedem Höhenmeter mehr noch attraktiver. Nur die halbvolle Wasserflasche nervt. Das Wasser schaukelt sich darin auf. Ich presse sie mehr zusammen, und meine, dass so das Fahren besser geht. Bis auf ein paar einzelne Autos ist außer mir niemand am Weg. Ich habe die Straße und die Aussicht für mich allein. Nach der ersten großen Steilstufe lasse ich klatschnass einen leisen Juchzer. Hey, es ist gut gegangen. Ich freue mich, und genieße die folgende, weite Hochebene. An deren Ende ist der nächste Übergang zu sehen. Er fordert mich mehr als zuvor. Er ist zwar nicht so lang, dafür etwas steiler.

 

Mitten im Anstieg kommen mir einzelne Tiere einer Ziegenherde entgegen. Und bei einer Kurve wartet der Herdenhund, der mich argwöhnisch mustert. Plötzlich höre ich hinter mir unerwartet ein Moped kommen. Ich bin erleichtert. Bis zum Hund vorne dürfte das Moped gleiche Höhe haben, dann fühle ich mich sicher. Doch der Hund will das nicht abwarten. Er läuft mir zähnefletschend und angriffslustig entgegen. Verunsichert bleibe ich stehen. Der Mopedfahrer hat zwischenzeitlich aufgeschlossen. Es ist der Hirte, der nun vom Moped gestiegen mit seinem Stock den Hund zu vertreiben versucht. Viel Respekt zeigt der Hund nicht. Der Mann deutet mir, dass ich weiterfahren soll, während er wild nach seinem Hund schlägt, und ihm lauthals den Weg versperrt. Mir ist erst ein paar Kehren höher wieder leichter, als ich das Moped wegfahren höre. Der Hirte hat mich wahrscheinlich kommen gesehen, und um die Schärfe seines Hundes gewusst. Glück gehabt, denke ich mir.

 

Als ich den höchsten Punkt der Bergkette erreicht hatte, gönne ich mir eine Banane. Diese Belohnung hatte ich mir schon bei der Steilstufe davor in Aussicht gestellt. Ein paar Minuten in der Sonne und im Wind stehend, sind meine nassen Sachen im Nu wieder trocken. Die folgende lange Abfahrt hinunter zum Meer ist Genuss pur. Eine herrliche Landschaft, ein rasantes Tempo, ein gut gelaunter Fahrer. Die Oliven- und Orangenhaine gleiten im Flug vorbei. Doch am Meer unten holt mich die Tageshitze dann voll ein. Ich flüchte ich in eine der Wiesen mit Olivenbäumen. Mittagsschlaf im Schatten und eine längere Pause ist das Erholungsprogramm. Der lange Anstieg hat mich doch sehr gefordert.

 

14. August 2024

Bezaubernde Olivenhaine und eine abenteuerliche Routenwahl

Es ist noch dunkel, als ich im engen Tal das frühmorgendliche Wettsingen dreier Hähne mitbekomme. Einer klang recht lustig. Er eröffnete das Konzert. Wahrscheinlich musste er sich erst warmsingen. Denn es klang mehr nach Krächzen als nach Krähen. Dafür hatten es die beiden anderen besser drauf. Klar und laut, drangen ihre Rufe in mein Zelt. Doch etwas dösen wollte ich dennoch, zumindest bis es aufhellte.

 

Der erste Griff beim Rad war nach den Reifen. Doch es war alles in Ordnung. Ich hatte mir keine Disteln eingefangen, die ich erst beim Aufbauen des Zeltes im strohigen Gras entdeckte. Beim Losfahren ging es den unterbrochenen Anstieg von gestern weiter. Es war angenehm frisch. Nur 19 Grad zeigte das Thermometer. Ich wollte es kaum glauben. Doch kurz vor dem Übergang, wo mich die Sonne dann einholte, da kletterte mit mir dann auch die Temperatur die Straße hoch. Der Blick aufs Meer entschädigte. Und die folgende Querung auf der Höhenlinie entlang von Olivenhainen ebenso. Sie waren mit Steinmauern eingefriedet, und oft auch etagenartig angelegt. Auf einer der Mauern genoss ich mein Frühstück. Das Meer lag weit unten. Herrliche Ruhe rundum. Ich war zufrieden.

 

Weniger zufrieden war ich danach mit meiner gewählten Strecke. Sie artete in eine Schieberei auf einem Viehtriebweg aus. Anfangs ging es auf Asphalt ganz gut. Doch als das Sackgassenschild auftauchte, hätte ich wohl besser auf der Karte nachsehen sollen, wohin und wie es weiter geht. Doch umkehren und hochfahren wollte ich sowieso nicht. Also ließ ich mich auf das Abenteuer ein. Recht weit unten kam mir schreiend und gestikulierend eine Hirtin entgegen. Ihre kleine Herde hatte ich von oben schon vorher gesehen. Den Gesten nach hielt sie mich glaub für einen Vollidioten. Ich wollte ihr zwar nicht beipflichten, doch vernünftig war es von mir sicher nicht. Irgendwann beruhigte sie sich wieder. Vielleicht hat mein oftmalig wiederholtes Sorry gewirkt. Ich schob mein Rad weiter, und sie verschwand hinter den Steinen und dem Zaun. Über eine kleine Schlucht musste ich mein Rad gar tragen. Doch danach, dem Meer entlang rollend, die Buchten und das Türkis sehend, war ich beim Blick zurück auf den steinigen Bergabhang dann schon zufrieden, es unfallfrei geschafft zu haben.

 

Je näher ich danach zu Kalamata kam, desto mehr nahm der Verkehr zu. Es staute sich oft in den kleinen Ortsdurchfahrten. Bade- und Durchzugsverkehr ging nicht so reibungslos. Und auch ich war etwas träge am Rad. Ab Mittag wird es mit dem Fahren eher zäh. Die Hitze setzt mir zu. Ich war froh, dass ich den letzten Bergübergang vor Kalamata in einem durchgezogen, und mich von den vielen Höhenmetern nicht habe abschrecken lassen. Ich hatte im Anstieg einfach keinen Schatten eines Baumes gefunden. Denn sonst wäre ich wohl immer noch dort am Pause machen.